Der Bundesrat erwägt, den Zivilstand «geschieden» abzuschaffen. Warum denn?
Jede zweite Schweizer Ehe geht in die Brüche, 600’000 Personen sind in den Statistiken des Bundes als «geschieden» verzeichnet. Viele Betroffene fühlten sich indes «unwohl» oder «in ihrer Privatsphäre verletzt», wenn sie auf Personalformularen ihren Zivilstand angeben müssten. Mit diesen Argumenten begründet Antonio Hodgers, Chef der grünen Bundeshausfraktion, sein im Dezember lanciertes Anliegen: Der amtliche Stempel «geschieden» sei abzuschaffen, stattdessen solle es in Zukunft nur noch Ledige, Verheiratete und Verwitwete geben. Der Bundesrat kommt zu einem differenzierteren Schluss. Zwar hätten Ledige und Geschiedene namentlich im Sozialversicherungsrecht tatsächlich verschiedene Rechte und Pflichten. Die Unterscheidung der Zivilstände sei aber «keine zwingende Voraussetzung, um diese gesetzlichen Regelungen auch weiterhin umsetzen zu können». Abzuklären gelte es noch, welche Folgen die Abschaffung von «geschieden» auf den Rechtsverkehr mit ausländischen Behörden hätte. Die Hindernisse, die sich hier ergeben könnten, hält die Regierung aber nicht a priori für unüberwindbar. Für diesen Vorschlag hat der Genfer Nationalrat nun gewichtigen Support erhalten. Der Bundesrat «erkennt den Handlungsbedarf» und will die «Anpassung der aktuellen Zivilstandsbezeichnungen überprüfen», wie es in der gestern veröffentlichten Antwort auf Hodgers’ Interpellation heisst. Die Regierung verweist auf den 2007 eingeführten Zivilstand «eingetragene Partnerschaft» für Homosexuelle, der ebenfalls eine Anpassung an gesellschaftliche Realitäten darstelle. Hodgers zeigte sich auf Anfrage positiv überrascht von der Antwort. Normalerweise reagiere der Bundesrat eher konservativ. Tatsächlich hatten auch Experten Bedenken geäussert, als der «Bund» erstmals über Hodgers’ Vorschlag berichtete: Die unterschiedlichen juristischen Status von Geschiedenen und Ledigen rechtfertige eine terminologische Trennung, hiess es damals. Zu welchem Zeitpunkt der Bundesrat die angedachte Zivilstandsreform allenfalls an die Hand nimmt, ist noch unklar: «Bei Gelegenheit», heisst es in der Antwort auf die grüne Interpellation. Nähere Angaben waren dazu gestern nicht erhältlich. Hodgers hält es angesichts der positiven Stellungnahme für denkbar, dass er seinem Anliegen mit einem Vorstoss von stärkerer Verbindlichkeit noch Nachdruck verschaffen wird.
Tijana Nikolic