In der Stadt Zürich kommt es im April zu einem zweiten Wahlgang für den freien Stadtratssitz. Der Freisinnige Marco Camin machte zwar am meisten Stimmen, verfehlte aber das absolute Mehr
Der Freisinnige kommt auf 24 184 Stimmen. Dicht dahinter folgt der Zürcher Gemeinderat Richard Wolff mit 22 050 Stimmen. Auf dem dritten Rang liegt der Zürcher Kantonsrat Daniel Hodel mit 12 185 Stimmen. Der Sitz im Stadtrat wird frei, weil der freisinnige Finanzvorstand Martin Vollenwyder zurücktritt. Der Zürcher Stadtrat setzt sich aus vier Vertretern der SP, je zwei von der FDP und den Grünen sowie einem der CVP zusammen. Deutlich angenommen wurden die drei Vorlagen in der Stadt Zürich. Grünes Licht gab es für die Schaffung einer vierten städtischen Wohnbaustiftung (75 Prozent). Diese soll günstige und ökologische Wohnungen schaffen. Weiter wird Klärschlamm aus dem ganzen Kanton neu zentral an einem Ort in Zürich-West verwertet (94-Prozent-Ja-Stimmen). Auf dem Werdhölzli-Areal entsteht eine entsprechende Anlage. Unbestritten war auch die Änderung der Gemeindeordnung wegen des neuen Kinder- und Erwachsenenschutzrechtes (rund 90 Prozent Ja-Stimmen). Im Kanton Zürich ist nur die Senkung der Grundstückgewinnsteuer abgelehnt worden. Dazu sagten die Stimmberechtigten mit rund 56 Prozent Nein. Der Vorstoss geht zurück auf eine Initiative des Hauseigentümerverbandes. Er verlangte, dass die Steuerbelastung bei einem Hausverkauf für den Verkäufer sinkt. Angenommen wurde dagegen die Einmaleinlage für die Sanierung der Beamtenversicherungskasse (BVK). Der Ja-Stimmenanteil betrug rund 65 Prozent. Eine Änderung gibt es zudem im Mittelschulgesetz (rund 70 Prozent Ja): Die hauswirtschaftlichen Internatskurse («Husi») finden neu im 9. oder 10. Schuljahr statt, dem sogenannten Untergymnasium. Bisher wurden sie erst im 12. oder 13. Schuljahr durchgeführt. Befürwortet wird auch die Änderung des Lehrpersonalrechtes, womit Schulleiter neu kein Lehrdiplom mehr brauchen (rund 68 Prozent Ja-Stimmen).
Überdeutlich Ja sagen die Zürcher zur sogenannten Abzocker-Initiative. Insgesamt stimmten über 70 Prozent zu. Das Ja war zu erwarten gewesen, dass es aber auch im Kanton Zürich so deutlich ausfallen würde, überrascht nun schon ein wenig. Ebenfalls deutlich ist die Zustimmung zum Raumplanungsgesetz ausgefallen. Auch hier sind über 70 Prozent Ja-Stimmen eingegangen. Knapp durchgekommen ist der Familienartikel, Ja sagten rund 54 Prozent der Stimmberechtigten.
Marco Camin hat die besseren Karten
Marco Camin habe im zweiten Wahlgang der Zürcher Stadtratswahlen die besseren Karten, davon ist Politologe Michael Hermann überzeugt. Der FDPler versucht sich am 21. April gegen den Überflieger Richard Wolff von der AL durchzusetzen.
Die Ausgangslage ist jedoch nicht dieselbe wie gestern: Der zweite Wahlgang wird vermutlich weniger Leute an die Urne locken als der gestrige Abstimmungs- und Wahlsonntag. Weil keine weiteren Vorlagen zur Abstimmung sehen. Camin sieht dies auch als Chance. Der FDP-Mann kann sich vorstellen, dass die Abzocker-Initiative gestern viele linke Wähler mobilisiert hat, die beim zweiten Wahlgang nicht mehr alle an die Urne gehen. «Meine Wahlchancen sind intakt», sagt Camin. «Ich bin als Bürgerlicher die Nummer eins in einer links-grünen Stadt. Das muss erst mal erreicht werden.» Eine Feinanalyse des ersten Wahlgangs werde aufzeigen, wo es noch weitere Stimmen zu gewinnen gibt. Auch Richard Wolff, der gestern nur 2000 Stimmen weniger erreichte als Camin, startet zuversichtlich in die zweite Runde: «Meine Chancen sind sehr gut. Unsere Seite kann Wähler gut mobilisieren.» Mit welcher Strategie er den Stadtratssitz holen will, entscheidet die AL morgen Abend. Daniel Hodel (GLP) dürfte nicht mehr antreten. Die Grün-Liberalen entscheiden heute noch über die Kandidatur. Laut Politologe Michael Hermann mache es jedoch keinen Sinn, wenn sich Daniel Hodel nochmals zur Wahl stellt. Demnach müssen die beiden Kandidaten Wolff und Camin um die Stimmen von Hodel kämpfen. Dieser erreichte im ersten Wahlgang mit rund 12 000 Stimmen nur etwa halb so viele Wähler wie seine beiden Konkurrenten. Wer gewinnt nun diese Stimmen?
Camin stehe in der Pole-Position, sagt Michael Hermann. «Marco Camin und Daniel Hodel sind sich politisch näher. Daher müssten die Stimmen von Hodel eigentlich zu Camin gehen», so der Politologe. Die Hand ins Feuer legen, dass Camin gewählt wird, will Hermann dennoch nicht. «Die Wahl ist immer noch offen.»