Weder die Integration, noch die Bürokratie oder die angeblich tiefen Löhne treiben die Zürcher Lehrer am meisten um. Sie haben andere Sorgen, sagt eine neue umfassende Umfrage
Jetzt wollte es der Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband (ZLV) genau wissen und startete eine grosse Umfrage. Etwa tausend Lehrpersonen haben sich daran beteiligt, was knapp einem Drittel der ZLV-Mitglieder entspricht. Die Lehrer mussten elf Probleme nach Wichtigkeit ordnen. Dabei zeigte sich: Die angeblichen Ursachen der Belastung rangieren unter ferner liefen. Als Hauptproblem sehen die Lehrerinnen und Lehrer die grossen Klassen – und zwar über alle Stufen hinweg. Nur die Sek-Lehrpersonen setzten das Problem der grossen Klassen auf Rang zwei. Von diesem eindeutigen Resultat ist ZLV-Präsidentin Lilo Lätzsch überrascht. Sie glaubt trotz des Resultats jedoch nicht, dass der ZLV an den Bedürfnissen der Basis vorbeipolitisiert, wenn er höhere Löhne oder weniger Bürokratie fordert. Ein Drittel der Befragten wünsche sich sogar noch ein entschiedeneres Auftreten gegenüber den Arbeitgebern, wie die Umfrage ebenfalls zeige.
Es kommt auf die Grösse an
Die Wissenschaft ist sich einig: Kleine Klassen haben einen positiven Einfluss auf Leistung und Wohlbefinden der Schüler, weil sich die Lehrer intensiver um die einzelnen Kinder kümmern können, weil sich die Kinder aktiver beteiligen und weil es im Unterricht weniger Störungen gibt. Die Klassengrössen sind im Kanton Zürich seit Jahren stabil. Im Schuljahr 2011/12 lag die durchschnittliche Klassengrösse im Kanton Zürich bei 19 Kindern im Kindergarten, bei 20,8 in der Primarschule und bei 18,7 in der Sekundarschule. Diese Grössen sind im nationalen Vergleich eher hoch – insbesondere in der Primarschule. In den europäischen Ländern liegt der Durchschnitt bei knapp 22 Schülern pro Klasse. Wenn eine Klasse über die maximale Grösse anwächst, muss die Lehrerin oder der Lehrer entlastet werden, wenn der Zustand länger anhält, muss die Schule die Klasse teilen. Mit der Umfrage gerät Lätzsch nun unter Druck, mehr für die Klassengrösseninitiative zu tun. Sie betonte gestern denn auch: «Der ZLV steht hinter der Initiative.» Sie räumt dem Vorhaben aber nur kleine Chancen ein. Denn es müssten im Kanton Zürich 1300 neue Schulklassen eröffnet werden. Das würde nicht nur massiv mehr Lehrpersonen nötig machen, sondern die Schule auch um 120 Millionen Franken pro Jahr verteuern. Aus diesem Grund hat der Regierungsrat bereits seine Ablehnung bekannt gegeben. Voraussichtlich im Herbst wird das Anliegen auch im Kantonsrat verhandelt. Lätzsch erachtet eine starre Maximalgrösse auch nicht wirklich als sinnvoll. Denn eine 20er-Klasse sei nicht à priori zu gross: «Wenn es 20 pflegeleichte Kinder sind, kann der Stress kleiner sein, als wenn in einer Klasse mit 10 Schülerinnen und Schülern 3 sehr schwierige Kinder sitzen.»