Wer im Ausland eine Uni für sein Traumstudium sucht, braucht Durchhaltewillen und starke Nerven. Die Studentin Roberta Fischli schildert Ihre Erfahrungen damit – Teil 2
Im Ausland hat man sehr hohe Anforderungen
Der Bewerbungsprozess an Eliteuniversitäten ist intensiv. Ein Fünferschnitt in der Abschlussnote sowie ein Sprachdiplom werden vorausgesetzt, je nach Studienausrichtung müssen zusätzliche Tests oder Praxiserfahrung vorgewiesen werden. In dieser Liga reicht es nicht, gute Noten zu haben. Im Sammelbecken der Talente haben das alle. Man will individuelle, kreative und, je nach Universität, frei denkende Persönlichkeiten anziehen. Je exklusiver der Studiengang, desto wichtiger sind das Motivationspapier und die Empfehlungsschreiben von Dozenten. Diese Unis wollen wissen, was einen auszeichnet, weshalb man nicht nur gut, sondern einzigartig ist, und inwiefern die Institution von dem Studierenden profitieren könnte.
Als ich mit der Bewerbung für Warwick begann, änderte sich vieles. Plötzlich musste ich mein Leben nach Leistungskriterien betrachten, etwas, was mir eigentlich völlig zuwider ist. Mein Austausch in Kopenhagen wurde zur akademischen Voraussetzung, das Cambridge Proficiency Exam, das ich im Mai 2011 bestanden hatte und eigentlich ewige Gültigkeit besitzen sollte, wurde wertlos. Die Universität Warwick akzeptiert nur Sprachdiplome, die beim Studienantritt weniger als zwei Jahre alt sind. Ich musste mein Leistungstranskript auf Englisch übersetzen, weil die Universität Zürich das Diplom zwar zweisprachig ausgestellt hatte, aber die detaillierte Auflistung meiner Kurse nur auf Deutsch existierte.Wenig später stiess ich auf einen doppelten Master an der renommierten Sciences Po und der School of Journalism in Paris, einer neuen Schule, die auf internationalen Journalismus ausgerichtet ist. Ein doppelter Master ist die Königsdisziplin unter den Studiengängen. Die Studierenden werden je ein Jahr an den beteiligten Universitäten ausgebildet. Das bietet die Möglichkeit, zwei verschiedene akademische Kulturen kennen zu lernen, unter Umständen zwei Länder, zwei Sprachen, von zwei Alumni-Netzwerken profitieren zu können, und im Unterschied zu einem Austausch mit einem Mobilitätsprogramm, bei dem man offiziell noch immer an der Heimuniversität immatrikuliert bleibt. Im Zeugnis steht der Abschluss von beiden Universitäten. Eigentlich hatte ich meine Wunschuniversität schon gefunden. Aber ich wusste, dass ich die Chance, mich neben einem Master auch noch in internationalem Journalismus ausbilden zu lassen, schlicht nicht ausschlagen konnte. Im Studiengang der Sciences Po hat es Platz für 15 Studierende pro Jahr, «herausragende Persönlichkeiten aus allen Teilen und Bevölkerungsschichten der Welt», wie es auf der Website der Sciences Po heisst.
Das Ganze etwas unterschätzt
Ich habe nichts zu verlieren, dachte ich, als ich mit der Bewerbung für Paris begann. Ich lag natürlich falsch. Neben der Bewerbungsgebühr von 90 Euro verbrachte ich zwei Monate damit, das Dossier fertigzustellen. Ich arbeitete jeden Abend und jedes Wochenende an den sieben verlangten Kurzessays über meine Motivation, meine Person, meine beruflichen Erfahrungen, meine Qualitäten und Stärken als angehende Journalistin und über die Bedeutung des Journalismus. Zu meinem Lebenslauf kamen Arbeitsproben, ich musste angeben, welcher sozioökonomischen Klasse meine Eltern angehören, ob ich eine Hochleistungsathletin sei, wann ich im Ausland gewesen war, welche Sprachen ich spreche und auf welchem Niveau, welche relevanten Arbeitserfahrungen ich hatte. Zu den zwei akademischen Referenzen kam die Forderung nach einer aus dem Berufsumfeld. Der Betreffende erzählte mir von einer Tabelle, die er ausfüllen musste. Es wurden Bewertungskriterien genannt wie «Fähigkeit zu delegieren». Ich fragte mich, ob ich in meinem Alter von 23 Jahren nicht schon viel weiter sein müsste.
Vor einigen Wochen erhielt ich eine Offerte aus Warwick. Bedingung ist, dass ich noch einen Sprachtest ablege. Die Aufnahmegespräche für Paris beginnen im April. Eine Stiftung, die angehende Journalisten unterstützt, muss ich erst noch finden. Heute ist alles möglich, heisst es. Aber unsichtbare Grenzen machen die Sache nicht einfacher. Ich muss mich gegen Leute durchsetzen, deren Karriere bereits in einem zweisprachigen Kindergarten aufgegleist wurde. Wer sich für diese Universitäten bewirbt, wirft sich in ein Hochleistungsgetriebe. Und das bedeutet für diejenigen, die ihr Leben nicht wie eine Triathlon-Route ausgelegt haben, ein grosses Stück Arbeit. Wer bin ich? Woher komme ich? Wo will ich hin? Damit fängt es erst an.