Eine neue Lehrlingsbefragung der Gewerkschaft Unia zeigt, unter welchen Problemen junge Arbeitskräfte leiden
Überstunden, Lohn, Ferien und Kontrollen: Die rund 1500 befragten Auszubildenden geben in der Studie zu verschiedenen Aspekten ihres Arbeitsalltags Auskunft. Auffallend ist dabei die Überzeit, die über die Hälfte von ihnen (55 Prozent) leisten muss. Nur 44 Prozent geben an, nie länger als neun Stunden bei der Arbeit bleiben zu müssen. Bei 21 Prozent kommt dies monatlich einmal, bei 17 Prozent mehrmals pro Monat und bei weiteren 17 Prozent gar wöchentlich vor. Etwas mehr als die Hälfte der Lehrlinge kann diese Überstunden in der Freizeit kompensieren. Ein Fünftel erhält sie ausbezahlt – in der Regel mit einem Lohnzuschlag von 25 Prozent, der angesichts der tiefen Lehrlingslöhne nicht hoch ausfällt. Ein Viertel der Lernenden wird dafür aber weder entlöhnt, noch mit Freizeit entschädigt. Lange standen Lehrlinge im Fokus der Öffentlichkeit, wenn es um fehlende Ausbildungsplätze ging. In den letzten Jahren hat sich die Situation entspannt – daher bleibt den Gewerkschaften nun mehr Luft, um die Arbeitsbedingungen der jungen Erwachsenen zu thematisieren. Und die sind offenbar häufig nicht zufriedenstellend, wie eine neue Unia-Studie nahelegt. Heute wird der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) unter anderem aufgrund dieser Lehrlingsbefragung eine Petition lancieren, die eine Behebung der Missstände fordert.
Wochenendarbeit ist fast an der Regel
Zudem müssen knapp zwei Drittel der Befragten (64 Prozent) wöchentlich auch am Wochenende arbeiten. Nur knapp jeder zehnte Lehrling hat dies noch nie erlebt. Wochenendarbeit ist zwar gesetzlich erlaubt, die Gewerkschaften weisen jedoch darauf hin, dass sie bei gleichzeitigem Berufsschulbesuch unter der Woche nicht unproblematisch sei. Mit den Ferien ist ein bedeutender Teil der Lehrlinge (43 Prozent) unzufrieden. Nur rund ein Drittel (34 Prozent) hält die gesetzlich vorgeschriebenen fünf Wochen für ausreichend. Mit den Löhnen sind dagegen knapp zwei Drittel (63 Prozent) der Befragten zufrieden. Je länger die Lehrlinge in der Ausbildung sind, desto eher sehen sie in dieser Hinsicht Handlungsbedarf. Wird der Lohn aber in Relation zur dafür erbrachten Leistung gesetzt, sinkt die Zustimmung: Nur jeder Zweite (52 Prozent) findet seinen Lohn angemessen. 44 Prozent sind dagegen der Meinung, ihr Lohn stimme im Vergleich zur geleisteten Arbeit nicht. Damit ist die Lohnunzufriedenheit insgesamt höher, als bei ausgelernten Arbeitnehmenden. Mehr als jeder Zweite (61 Prozent) verdient monatlich zwischen 500 und 999 Franken. Nur gerade 1 Prozent kommt in der Lehre auf einen höheren Lohn als 3000 Franken. Die Qualität ihrer Ausbildung erachten weitaus die meisten Lehrlinge als gut bis sehr gut (83 Prozent). Nur jeder Sechste findet sie ungenügend, und gar nur 3 Prozent halten sie für schlecht. Aber die Mehrheit der Befragten ist regelmässig nicht betreut, 25 Prozent sogar jede Woche, während dies nur bei 41 Prozent noch nie vorkam. Für die Kontrollen dieser Ausbildungsbedingungen sind die kantonalen Berufsbildungsämter zuständig. Sie sind verpflichtet, bei Verstössen Massnahmen zum Schutz der Lernenden zu erlassen. 55 Prozent der Befragten gaben indes an, noch nie eine solche Kontrolle erlebt zu haben. 24 Prozent haben keine Kenntnisse davon, und nur ein Viertel hat schon mindestens einmal eine solche Kontrolle erlebt. Die Gewerkschaften leiten aus diesen Befunden Handlungsbedarf ab: Den Löhnen, Ferien und Überstunden wollen sie dabei besondere Aufmerksamkeit schenken. Um die Arbeitsbedingungen der Lehrlinge zu verbessern, seien bessere Ausbildungskontrollen unerlässlich. Mit der Petition, die heute präsentiert wird, sollen die zuständigen Behörden zum Handeln bewegt werden.
Ehemalige Lernende(will anonym bleiben), 24, aus Steinhausen im Kanton Zug:
„Ich finde diese Befragung der UNIA eine super Sache. Ich hätte mir das während meiner Lehrzeit auch gewünscht. Damals hatte ich auch solche Missstände und wäre froh gewesen über Beistand. Ich habe meine Lehre im Verkauf gemacht. Es war gängig, dass ich Arbeiten, zu denen ich nicht befugt war, erledige. Manchmal ging die Chefin einkaufen und liess mich alleine den Laden schmeissen. Damals war ich einerseits schon stolz, wegen des Vertrauens, anderseits hatte ich auch jedes Mal Angst. Oft kam es zu Vorfällen, bei denen ich nicht wusste, wie ich reagieren oder auch antworten soll. Ich habe auch täglich mindestens eine halbe Stunde Überzeit gemacht, welche nicht entlöhnt wurde. Ausserdem war ich für den nächsten Lehrling, der im zweiten Lehrjahr war, verantwortlich. Ich musste ihm die arbeiten erklären und mit ihm die Theorie lernen. Das war damals alles sehr belastend für mich, da ich selber auch noch genug mit der Schule zu tun hatte. Die Höhe war noch, als ich mitbekommen habe, dass mich meine damalige Lehrmeisterin als billige Arbeitskraft bezeichnete. Deswegen würde ich es sehr wichtig finden, dass zukünftige Lehrlinge Hilfe bei ihren Rechten bekommen.“