Die Fürsprecher der Einheitskasse rechnen mittelfristig mit Kosteneinsparungen von jährlich 3 Milliarden Franken. Doch bei dieser Frage scheiden sich die Geister
Die Initianten behaupten, dank besserer Versorgung könnten mittelfristig Kosten von rund 10 Prämienprozenten eingespart werden. Dies wären jährlich 2,5 Milliarden Franken (Zahlen 2012). Das kurzfristig realisierbare Sparpotenzial durch den Wegfall von Marketing- und Wechselkosten wird auf rund 350 Millionen Franken geschätzt. Zusammen rechnen die Befürworter der Einheitskasse also mit einer beträchtlichen jährlichen Kostenreduktion von rund 2,9 Milliarden Franken. Wie sehen die Zahlen im Detail aus? Beim Verwaltungsaufwand, der rund 5 Prozent der Prämieneinnahmen beansprucht, ist das Sparpotenzial relativ gering, wie auch die Initianten einräumen. Eine Bass-Studie im Auftrag der SP rechnet mit 25 Prozent tieferen Verwaltungskosten, weil der Aufwand für Akquisition, Werbung und Wechsel von Versicherten wegfällt. Andere Studien kommen auf eine ähnliche Grössenordnung (300 bis 350 Millionen). Allerdings gilt zu beachten, dass auch bei der Einheitskasse aufgrund von Kantonswechsel Wechselkosten anfallen, die in den Studien nicht berücksichtigt werden. Es ist auch fraglich, ob die Einheitskasse ganz auf Werbung verzichten kann, wie angenommen wird.
Studien weisen lauter Lücken auf
Zwei Kostenblöcken tragen die Studien gar keine Rechnung. Wie jeder Systemwechsel verursacht auch dieser zunächst Kosten, die laut einer von den Gegnern in Auftrag gegebenen Studie des Winterthurer Instituts für Gesundheitsökonomie zwischen 1,6 und 2,2 Milliarden Franken liegen. Ebenfalls nicht berücksichtigt in den Studien sind die Mehraufwendungen, die bei der durch die Einheitskasse erzwungenen Aufsplittung von Grund- und Zusatzversicherung anfallen würden. Während der Bundesrat mit jährlichen Mehrkosten von 10 Millionen Franken rechnet, veranschlagt eine vom Kassenverband Santésuisse bei der Boston Consulting Group in Auftrag gegebene Studie dafür 220 Millionen in der Grundversicherung und insgesamt 400 Millionen. Unter dem Strich dürften die jährlichen Einsparungen einiges unter den von den Initianten geschätzten 350 Millionen Franken liegen. Weil jede Studie mit Annahmen arbeitet, sind die Zahlen mit Unsicherheit behaftet. Viel grösser als beim Verwaltungsaufwand ist das Sparpotenzial bei den Gesundheitskosten, für welche die Krankenkassen 95 Prozent der Prämieneinnahmen aufwenden. Laut den Initianten können dank einer besseren Versorgung insbesondere für chronisch kranke Menschen bis zu 10 Prämienprozente eingespart werden. Bei den 5 Prozent teuren Versicherten fallen über die Hälfte der Kosten an. Im heutigen System hätten Krankenkassen kaum Anreize zur Effizienzsteigerung über integrierte Versorgung (Managed Care, Case-Management), schreibt die Gesundheitsökonomin Anna Sax in einer im Auftrag der SP verfassten Studie. Sie müssten nämlich dadurch erzielte Einsparungen über den Risikoausgleich teilweise wieder an andere Krankenkassen abgeben, weil dieser chronisch Kranke zu wenig berücksichtige. Befürworter und Gegner der Einheitskasse sind sich darin einig, dass in der integrierten Versorgung ein grosses Potenzial zur Effizienzsteigerung brachliegt. Ökonomen des Winterthurer Instituts für Gesundheitsökonomie haben 2011 untersucht, welches Versicherungssystem besser geeignet ist, Modelle zu fördern, welche die Behandlungskosten steuern. Das Papier liefert dazu keine klare Antwort. Entscheidend ist die Ausgestaltung des Risikoausgleiches zwischen den Kassen. Je besser dieser wirkt, desto eher kommen die Vorteile des Wettbewerbs zum Tragen. Die Versicherer würden dabei ihren Fokus weg von der volkswirtschaftlich unergiebigen Jagd nach «guten Risiken» hin zur Entwicklung von innovativen Managed-Care-Modellen wenden. Da bei Abschluss der Studie noch keine Erfahrungen mit dem erweiterten Risikoausgleich vorlagen, liessen die Autoren die Frage offen. Der heute gültige Risikoausgleich mit den Kriterien Alter, Geschlecht und Spitalaufenthalt im Vorjahr erklärt 21 Prozent der Kostenunterschiede zwischen den Versicherten. Mit der für 2017 geplanten Aufnahme der pharmazeutischen Kostengruppen steigt der Erklärungsgehalt auf 30 Prozent. Vergleichsgrösse ist dabei nicht 100, sondern 50 Prozent, da die Hälfte der Risiken statistisch gesehen zufällig ist, wie CSS-Gesundheitsökonom Konstantin Beck sagt. Die verbleibenden 20 Prozent (gemessen in Quadratfranken) entsprächen umgerechnet in einen Frankenwert 9 Prozent. Damit seien ab 2017 91 Prozent der möglichen Kostenunterschiede durch den Risikoausgleich abgedeckt. Mit den neuen Anreizen dürften die Kassen ihre Geschäftsmodelle verstärkt auf Angebote zur integrierten Versorgung ausrichten. Die OECD kommt in einem Ländervergleich zum Schluss, dass nicht das Versicherungssystem an sich, sondern die konkrete Ausgestaltung einen grossen Einfluss auf die Effizienz hat. Es liegt an den Initianten, den Nutzen des Systemwechsels plausibel aufzuzeigen.