Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Schweiz letzte Woche wegen Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit verurteilt
Es erklärte die Ausstrahlung einer Sendung des «Kassensturz» für rechtens. Ein Versicherungsbroker war mit versteckter Kamera gefilmt worden. Das Zürcher Obergericht hatte die vier verantwortlichen Journalisten zu bedingten Geldstrafen verurteilt. Das Gericht warf ihnen vor, fremde Gespräche aufgezeichnet sowie den Geheim- und Privatbereich des Brokers verletzt zu haben. Das Schweizer Fernsehen hatte die Sendung Ende März 2003 ausgestrahlt. Das Bundesgericht hob den Schuldspruch wegen Verletzung des Geheim- und Privatbereichs auf Beschwerde der Verurteilten jedoch auf, da dieser Vorwurf in der Anklageschrift nicht enthalten war. Wie die Strassburger Richter in ihrem Urteil festhalten, wiegt das Interesse der Öffentlichkeit, Informationen über das Vorgehen von Brokern im Versicherungsbereich zu erhalten schwerer, als der Persönlichkeitsschutz des Brokers.
Notizen hätten anscheinend schon gereicht
Die Kritik des Beitrags sei nicht auf den Versicherungsmann persönlich gerichtet gewesen, sondern auf sein Geschäftsgebaren. Zudem sei seine Stimme bei der Ausstrahlung verfälscht und das Gesicht unkenntlich gemacht worden. Auch wenn die Urteile der Schweizer Gerichte in diesem Fall gemäss EGMR relativ mild ausgefallen sind, können sie dazu führen, dass Medien sich bei der Äusserung von Kritik zurückhalten. Gemäss Bundesgericht war es nicht notwendig gewesen, das Gespräch heimlich aufzunehmen. Ein Protokoll aufgrund von Notizen hätte gereicht. Im Übrigen befand das höchste Schweizer Gericht, dass das gezeigte Gespräch nur eine beschränkte Aussagekraft habe, da es im Einzelfall immer schlechte Beratung gebe. Für die Öffentlichkeit interessanter wären Aussagen über das Ausmass der Missstände gewesen. Dazu habe die heimliche Aufnahme aber kaum etwas beigetragen.