Partnerschaften und Familien kennen heute ganz andere Formen als noch vor 100 Jahren, als das Zivilgesetzbuch (ZGB) und damit auch das Erbrecht in Kraft traten. Der Bundesrat will das Erbrecht deshalb modernisieren
Der Erblasser kann heute nur beschränkt über das Schicksal seines Vermögens nach seinem Tod entscheiden. Die Kinder, der Ehepartner und in gewissen Fällen die Eltern haben nämlich einen Anspruch auf einen Mindestteil der Erbschaft, den der Erblasser keiner anderen Person zuteilen kann, auch wenn er ein Testament verfasst. Um die Verfügungsfreiheit des Erblassers zu erhöhen, will der Bundesrat diese so genannten Pflichtteile senken. Ausgangspunkt für die Berechnung der Pflichtteile bleibt der sogenannte gesetzliche Erbteil, also jener Anteil am Vermögen, der den Erben ohne Testament zukommen würde. Bleiben zum Beispiel Kinder und Ehepartner zurück, beträgt dieser Erbteil je die Hälfte des Vermögens. Von diesem Erbteil soll den Kindern statt drei Viertel neu nur noch die Hälfte als Pflichtteil zustehen. Für Ehepartner wird der Anspruch von der Hälfte auf einen Viertel des Erbteils reduziert. Für Eltern wird der Pflichtteil ganz gestrichen. Diese Vorschläge ermöglichen es dem Erblasser, über einen grösseren Teil seines Vermögens frei zu verfügen. Damit eröffnen sich nicht nur zusätzliche interessante Optionen für die Unternehmensnachfolge. Sondern es können insbesondere faktische Lebenspartner oder Stiefkinder, denen auch weiterhin kein gesetzlicher Erbanspruch zukommen soll, stärker begünstigt werden.
Bisher lediglich punktuell revidiert
Der Bundesrat schlägt unter anderem vor, die Pflichtteilsquoten zu senken, damit der Erblasser freier über sein Vermögen verfügen kann. Ein Erblasser könnte so beispielsweise seine nicht mit ihm verheiratete Lebenspartnerin oder deren Kinder stärker begünstigen. Zudem würde dadurch die Nachfolgeregelung bei Familienunternehmen erleichtert. Der Bundesrat hat am Freitag entsprechende Vorschläge zur Änderung des ZGB bis am 20. Juni 2016 in die Vernehmlassung geschickt. In seinem Bericht “Modernisierung des Familienrechts” vom 25. März 2015 hatte der Bundesrat aufgezeigt, dass die geltenden Normen im Familienrecht die heutigen gesellschaftlichen Realitäten nicht genügend widerspiegeln. Dazu gehört auch das Erbrecht, das 1907 in Kraft trat und seither lediglich punktuell revidiert wurde. Der Bundesrat hielt dazu in seinem Bericht fest, dass die heutigen Vorschriften zur Aufteilung des Vermögens nach dem Tod zu starr sind und den vielfältigen Lebensformen nicht mehr gerecht werden. Er schlägt in seiner Vernehmlassungsvorlage deshalb nun verschiedene Anpassungen vor und erfüllt dabei auch einen Auftrag des Parlaments, das Erbrecht flexibler auszugestalten.
Daneben sieht die Vorlage für faktische Lebenspartner noch weitere Verbesserungen vor. Um den überlebenden Partner vor finanziellen Härtefällen zu schützen, will der Bundesrat den Anspruch auf ein sogenanntes Unterhaltsvermächtnis einführen. Wenn der Partner beispielsweise durch Pflege oder durch finanzielle Hilfe erhebliche Leistungen im Interesse des Verstorbenen erbracht hat, soll er einen Teil der Erbschaft für seinen Unterhalt verlangen können. Dasselbe soll für Stiefkinder und andere Kinder im Haushalt des Verstorbenen gelten, die auf dessen finanzielle Unterstützung angewiesen waren. Zudem will der Bundesrat das Risiko der Erbschleicherei eindämmen. Damit soll verhindert werden, dass das Vertrauen einer Person missbraucht wird, um sich nach deren Tod finanzielle Vorteile zu verschaffen. Künftig soll der Erblasser höchstens einen Viertel seines Vermögens an Personen vererben können, die aufgrund einer beruflichen Funktion in einem Vertrauensverhältnis zum Erblasser stehen (z.B. Arzt oder Anwalt).
Zukünftig Nottestament auch per Video aufzeichnen können
Bereits heute sind die Erben verpflichtet, sich gegenseitig über sämtliche Tatsachen zu informieren, die sich auf die Teilung der Erbschaft auswirken können. Neu ist auch eine Informationspflicht für Dritte vorgesehen. Sie sollen den Erben alle Informationen im Zusammenhang mit dem Vermögen des Verstorbenen mitteilen müssen. Als weitere Präzisierung im Erbrecht will der Bundesrat im Gesetz explizit festhalten, dass die Ersparnisse der beruflichen und privaten Vorsorge (2. Säule und Säule 3a) nicht zur Erbmasse gehören und weiterhin ausschliesslich an die vom Gesetz bestimmten Vorsorgebegünstigten ausbezahlt werden. Hingegen sollen die ausbezahlten Beträge einer Lebensversicherung zur Erbmasse hinzugerechnet werden. In diesem Fall muss sich derjenige, der von einer Lebensversicherung des Verstorbenen profitiert, den von der Versicherung ausbezahlten Betrag an seinen Erbteil anrechnen lassen. Dasselbe gilt für den Ehepartner, dem aufgrund eines Ehevertrags beim Tod des anderen Ehepartners dessen Teil an der gemeinsamen Errungenschaft zukommen soll. Diese Neuerung wird auch bei der eingetragenen Partnerschaft eingeführt. Neu soll in Situationen einer unmittelbaren Todesgefahr ein Nottestament auch per Video aufgezeichnet werden können, zum Beispiel mit dem Smartphone oder einem anderen elektronischen Gerät; dieses Video gilt als Nottestament. Bei dieser Methode sind die zwei Zeugen, die bis anhin ein Nottestament beweisen mussten, nicht mehr notwendig.