Der Zürcher Kantonsrat diskutiert bald über die Dienstpflicht für Frauen
Leopold Brügger, Betreiber der Website Gleichberechtigung.ch, fordert in einer gestern publizierten Einzelinitiative, dass der Kanton Zürich in Bern eine Standesinitative für eine «allgemeine Dienstpflicht für alle im Sinne der Gleichberechtigung» einreicht.
«Es geht mir darum, dass alle mit anpacken. Das kittet die Gesellschaft zusammen», sagt Brügger zu 20 Minuten. Dass nur Männer ins Militär müssten, beruhe auf einem alten Rollenbild. «Früher hiess es: Frauen an den Herd, Männer in den Krieg. Dies ist längst vorbei, die Wehrpflicht nur für Männer ist nur noch ein unzeitgemässes Überbleibsel einer längst vergangenen Zeit.»
Der Kanton Zürich gelte als fortschrittlich, des-halb würde es ihm gut anstehen, bei der längst überfälligen Gleichberechtigung im Militär eine Vorreiterrolle zu spielen. «Von den konservativen Kantonen kann man dies weniger erwarten.»
Auch Ausländer sollen an „die Säcke“
Würden plötzlich auch Frauen eingezogen, gäbe es auf einen Schlag doppelt so viele Stellungspflichtige, und das bei einer Armee, die in den nächsten Jahren schrumpfen soll. Laut Brügger sei dies kein Problem. «Die grössere Auswahl führt zu einer Qualitätssteigerung und wenn man die Dienstzeit herabsetzt, ist dies eine Entlastung für alle und bringt Platz für die Frauen.»
Ein Zivildienst, der neu nicht mehr eineinhalbmal so lange dauern würde, wäre ebenfalls eine Lösung. «Das macht den Zividienst attraktiver. Man müsste natürlich sicherstellen, dass es genug Militärdienstleistende gibt.» Auch eine Ausweitung der Dienstpflicht auf niedergelassene Ausländer kann sich Brügger vorstellen. «Secondos, die hier geboren oder aufgewachsen sind, gehören ja auch zur Schweizer Gesellschaft.» Militärdienst sei wohl oft nicht möglich, weil die Her-kunftsländer Armeedienst bei einer fremden Macht hart bestrafen. «Im zivilen Bereich gibt es aber genug Möglichkeiten, gerade auch bei der Integration von Flüchtlingen.»
Politiker bleiben jedoch noch skeptisch
Bei Sicherheits-politikerinnen ist der Vorschlag von Brügger umstritten. Klar dagegen ist FDP-Nationalrätin Corina Eichenberger. «Die Frauen leisten heute ebenfalls einen Dienst an der Allgemeinheit, zum Beispiel in der Betreuung von Kindern und Angehörigen oder in unbezahlter Hausarbeit.» Von einer Ungleichbehand-lung zu sprechen sei deshalb falsch. Obwohl in Norwegen seit letztem Jahr auch Frauen Dienst leisten müs-sen, sei es dort nicht gerechter. Die hohe Zahl von Kandidaten führt dort dazu, dass die Dienstflicht nur noch wenige trifft. Auch eine verkürzte Dienstzeit sei keine Option.
«Wenn wir dies tun, laufen wir Gefahr die Rekruten nicht gut genug auszubilden.» SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf findet die Idee grundsätzlich nicht schlecht. «Allerdings müssen wir zuerst die Gleichberechtigung in anderen Bereichen herstellen. Frauen verdienen immer noch weniger als Männer für die gleiche Arbeit und leisten einen viel grösseren Anteil an Care-Arbeit bei Kindern und Angehörigen.»
Hier seien die Arbeitgeber in der Pflicht, bessere Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit zu bieten. Ausserdem sei Care-Arbeit gesellschaftlich immer noch zu wenig anerkannt. «Anschliessend kann man einen Dienst an der Allgemeinheit für Alle einführen, bei dem man frei zwischen Militär- und Zivildienst wählen kann.» Auch die Ausländer bräuchten erst Stimm- und Wahlrecht, bevor man über eine Dienstpflicht nachdenken könne. Die Aussichten auf Erfolg des Anliegens sind allerdings gering. Erst im März wurde ein Postulat der Grünliberalen, das einen allgemeinen Bürgerdienst forderte, im Nationalrat mit grosser Mehrheit abgelehnt.
T.N.
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