Gemeinsam den Haushalt schmeissen, am Küchentisch die Welt verändern und dazwischen wilde Home-Partys veranstalten – darauf haben viele Schweizer Studenten keinen Bock mehr. Lieber als in einer WG wohnen die jungen Menschen allein
Jonas A. Müller, Zentralpräsident des Schweizerischen Studenten-vereins, stellt fest: «Andere Optionen wie studentische Wohnheime oder das Elternhaus sind bei Studenten zunehmend beliebt.» Den Trend führt er auf die fortschreitende Individualisierung der Gesellschaft zurück. «Die heutigen Studenten sind immer weniger bereit, ihre persönlichen Angewohnheiten und Bedürfnisse im Zusammenleben zurückzustellen.»
Nicht auf selbstständiges Wohnen vorbereitet
Studentenwohnheime sind begehrt. «In den letzten Jahren haben wir rund 50 Prozent mehr Anfragen für Einzelzimmer erhalten», sagt etwa Roland Künzler, Co-Hausleiter des Zürcher Studentenwohnheims Maximilianeum. Das Wohnheim sei immer voll ausgebucht. Die Bewohner müssten nur ihre Zimmer putzen. Für die Reinigung der Küche und der Bäder, die sich die Bewohner teilten, sei das Putzpersonal zuständig.
«Die Studenten mögen es, wenn sie sich nicht um den Haushalt kümmern müssen», sagt Künzler. Auch hat er den Eindruck, dass manche Eltern die Studenten wenig auf das selbständige Wohnen vorbereiten. «Es kommen Leute, die noch nie eine Waschmaschine bedient haben.» Das Angebot, bei dem montags bis freitags warme Mahlzeiten serviert werden, sei sehr gefragt. Viele Eltern fänden, dass ihre Kinder «recht essen sollten». Studenten, die sich in einem Auslandssemester selbst verpflegen mussten, seien jeweils froh, wieder bekocht zu werden. Den jungen Menschen wollten aber auch individuell leben. «So haben sie nicht den WG-Druck, sich mit den Mitbewohnern zu verstehen, sondern können sich mit den Leuten austauschen, die ihnen gerade passen.»
Lieber Kontakt über Facebook oder Whatsapp
Die Firma Studenten-Vermittlung.ch vermittelt Studenten, die bei Umzügen helfen. Geschäftsführer Adaman Toure stellt fest, dass eigene Wohnungen ein verbreiteter Wunsch sind. «Oft müssen die Studenten aus finanziellen Gründen auf eine WG ausweichen.» Das WG-Leben sei manchen verleidet. «Oft machten sie die Erfahrung, dass die Mitbewohner nebeneinander herleben. Sie pflegen den Kontakt zu anderen Menschen lieber über Facebook und Whatsapp.» Auch die ständigen Wechsel würden das WG-Leben unattraktiv machen. «Weil viele Studenten etwa durch Austauschprogramme an verschiedenen Universitäten studieren, gibt es kaum beständige Wohngruppen.» Jonas Bernet, Vereinsleiter des Vereins Wohnraum für Studierende Stuwo.ch, fällt auf, dass es Studenten gibt, die bei Bewerbungen für WGs oft Absagen erhalten. «Mitbewohner, die Gamen als Hobby angeben, findet man nicht so toll.»
Es bleibt noch Hoffnung
WG-Anbieter bleiben deswegen aber noch nicht auf ihren Zimmern sitzen. Die Zimmer seien sehr beliebt, sagt Jonas Bernet. «Die WG ist für viele Studenten immer noch die idealste Wohnform.» Sie würden die tiefen Preise schätzen und dass sie kaum Möbel mitschleppen müssten. Entscheidend für die Wahl einer WG sei auch der soziale Austausch.«In Wohnheimen ist die Atmosphäre oft kalt wie in einer Fabrik.» Abends sässen alle in ihren Zimmern am Computer.
T.N.