Die EU hat ihr Waffenrecht verschärft, die Schweiz muss als Schengen-Land nachziehen. Dabei will der Bundesrat den vorhandenen Spielraum voll ausnutzen
Die Umsetzung, die der Bundesrat in die Vernehmlassung geschickt hat, ist light ausgefallen. Einige Vorgaben der geänderten EU-Richtlinie sind darin gar nicht, andere nur der Spur nach aufgenommen. “Juristerei ist keine exakte Wissenschaft”, erklärte Nicoletta della Valle, Direktorin des Bundesamts für Polizei (fedpol), vor Journalisten.
Die EU-Richtlinie lasse Spielraum bei der Umsetzung. Diesen nutze der Bundesrat aus.
Ausnahmeklausel «Lex Helvetica»
Der Vorentwurf nimmt die Kritik aus Schützenkreisen weitgehend auf. In der EU sind zu halbautomatischen Waffen umgebaute Serienfeuerwaffen künftig verboten. Unter dieses Verbot würde auch das Sturmgewehr fallen, das die Armeeangehörigen nach dem Ende der Dienstpflicht mit nach Hause nehmen können. Für dieses konnten die Schweizer Diplomaten eine Ausnahmeklausel in der Richtlinie unterbringen – eine “Lex Helvetica”, wie della Valle sagte.
Um das übliche 20-Schuss-Magazin verwenden zu können, müssten die ehemaligen Schweizer Soldaten aber nach EU-Recht einem Schützenverein beitreten. Auf eine solche Vorschrift will der Bundesrat jedoch verzichten. Für ehemalige Dienstpflichtige würde sich damit gar nichts ändern. Die EU hat auch zivile halbautomatische Waffen ins Visier genommen, die sie als besonders gefährlich einstuft. Als solche gelten Halbautomaten, die mit eingeklapptem Schaft weniger als 60 Zentimeter lang sind, zudem Waffen mit grosser Magazinkapazität. Gewehre, die ein Magazin von mehr als 10 Schuss eingesetzt haben, gelten künftig als verbotene Waffen, desgleichen halbautomatische Pistolen mit einem Magazin von über 20 Schuss.
Bundesrat grosszügiger als EU
Diese Vorschrift will der Bundesrat zwar wortgetreu umsetzen, bei den Ausnahmen ist er aber grosszügiger als die EU. Diese verlangt, dass Sportschützen nur dann eine Ausnahmebewilligung bekommen, wenn sie Mitglied in einem Verein sind und regelmässig an anerkannten Wettkämpfen teilnehmen.
Dem Bundesrat genügt der Nachweis, dass jemand Mitglied in einem Schützenverein ist oder die Waffe regelmässig für das sportliche Schiessen benutzt. Was das genau bedeutet, konnte della Valle nicht sagen. Entscheidend sei der Nachweis, dass jemand die fragliche Waffe benutze und auch damit übe, erklärte sie. Wer heute schon eine Waffe und Magazine besitzt, die künftig als verboten gelten, muss den Besitz lediglich bei der kantonalen Behörde melden.
Diese Bestätigung hätte die gleiche Wirkung wie eine Ausnahmebewilligung. Sammler dürfen ebenfalls verbotene Waffen erwerben. Sie müssen ein Verzeichnis führen, für die sichere Aufbewahrung garantieren und den Zweck der Sammlung darlegen. Auf die in der Richtlinie vorgeschriebene Beschlagnahmung von grossen Magazinen will der Bundesrat verzichten.
Jagdwaffen von der Gesetzesverschärfung nicht betroffen
Eine Ausnahmebewilligung ist nötig, wenn bei einem Gewehr lediglich ein 10-Schuss-Magazin und bei der Pistole ein 20-Schuss-Magazin eingesetzt sind. Dann gelten diese als bewilligungspflichtige Waffen, die jedermann mit gutem Leumund und guter Gesundheit kaufen kann. Jagdwaffen sind von der Verschärfung des EU-Waffenrechts gar nicht betroffen.
Die EU hatte im April dieses Jahres beschlossen, ihr Waffenrecht zu verschärfen. Auslöser waren die Terroranschläge von Paris, bei welchen zum Teil unbrauchbar gemachte, später aber reaktivierte Waffen zum Einsatz kamen. Die EU-Vorgaben zur Deaktivierung will der Bundesrat jedoch nicht umsetzen, weil eine deaktivierte Waffe nach Schweizer Recht gleich wie das Original behandelt wird. Die neuen Vorschriften zum Online-Handel hält der Bundesrat bereits für umgesetzt.
Besserer Informationsaustausch erhofft
Hingegen erhofft sich della Valle gestützt auf die Richtlinie einen besseren Informationsaustausch mit den Behörden anderer Länder. Insbesondere sollen den anderen Schengen-Staaten die Gründe für die Verweigerung eines Waffenerwerbsscheins mitgeteilt werden.
Als Schengen-Mitglied muss die Schweiz die Änderungen innerhalb von zwei Jahren übernehmen. Die Vernehmlassung dauert bis am 5. Januar 2018. Eine Botschaft will der Bundesrat im nächsten Frühjahr vorlegen.
Tijana Nikolic