Der Bundesrat hat in der Sitzung vom 8. März Ziele und Strategie im Umgang mit terroristisch motivierten Reisenden festgelegt, die eine Schweizer Staatsangehörigkeit haben. Oberstes Ziel: Die Sicherheit der Schweiz und der Schutz ihrer Bevölkerung. Beides geht Individualinteressen vor
Die Schweiz trifft alle operativen Massnahmen, die ihr zur Verfügung stehen, um eine unkontrollierte Einreise in die Schweiz zu verhindern. Die Schweiz verweigert die Einreise nicht, führt aber keine aktive Rückführung von erwachsenen terroristisch motivierten Reisenden durch. Eine aktive Rückführung kann nur für Minderjährige geprüft werden. Zudem wird die Strafverfolgung terroristischer Straftaten im Tatortstaat nach internationalen Standards angestrebt.
Aktuell 20 Reisende im Visier
Nach aktuellem Stand des Wissens befinden sich im syrisch-irakischen Konfliktgebiet derzeit rund 20 mutmasslich terroristisch motivierte Reisende (Männer, Frauen und Kinder), die eine Schweizer Staatsangehörigkeit haben. Dort werden sie teils durch nichtstaatliche Akteure (De-facto-Mächte) festgehalten. Es besteht das Risiko, dass diese Personen unkontrolliert freikommen.
Diskussionen über Strafverfolgung
In diversen Herkunftsstaaten laufen Diskussionen über Rückkehr und Sicherstellung der Strafverfolgung von terroristisch motivierten Reisenden. Der Bundesrat hat nun in seiner Sitzung vom 8. März 2019 seine Ziele und seine Strategie dazu verabschiedet. Sie sollen den zuständigen Behörden als Basis für die Prüfung und Behandlung von Einzelfällen dienen. An den Zuständigkeiten der verschiedenen Stellen bei Bund und Kantonen ändert sich mit dem Entscheid nichts. Die Kerngruppe Sicherheit des Bundes sorgt für die nötige strategische Koordination.
Keine aktive Rückführung, keine unkontrollierte Rückkehr
Für den Bundesrat ist das oberste Ziel klar: Die Sicherheit der Schweiz und der Schutz ihrer Bevölkerung haben höchste Priorität. Beides geht Individualinteressen vor. Die Schweiz trifft daher alle ihr zur Verfügung stehenden operativen Massnahmen, um eine unkontrollierte Einreise in die Schweiz zu verhindern. Als Instrumente stehen namentlich die Ausschreibung im Schengener Informationssystem SIS zur verdeckten Aufenthaltsnachforschung oder zur Verhaftung zur Verfügung sowie der polizeiliche und der nachrichtendienstliche Informationsaustausch zwischen den Schweizer und den ausländischen Behörden.
Keine Verweigerungen der Einreise
Die Schweiz verweigert diesen Personen die Einreise nicht, dies in Übereinstimmung mit Art. 24 Abs. 2 der Bundesverfassung. Allerdings will der Bundesrat keine aktive Rückführung von Erwachsenen durch Schweizer Behörden. Für Minderjährige jedoch kann eine solche geprüft werden. Dabei ist das Kindeswohl massgeblich. Die Rückführung Minderjähriger hat mit dem ausdrücklichen Einverständnis der für den Kindsschutz zuständigen Stellen (kantonale und kommunale Behörden sowie Eltern, falls sie sorgeberechtigt sind) zu erfolgen. Die Sicherheit der an allfälligen Rückführungen von Minderjährigen beteiligten Personen und Sicherheitsorgane ist in jedem Fall zu gewährleisten. In Staaten, wo es möglich ist, leistet die Schweiz bei Freiheitsentzug Unterstützung im Rahmen des konsularischen Schutzes.
Keine Straffreiheit
Zweites Ziel des Bundesrats: Terroristisch motivierte Reisende mit Schweizer Staatsbürgerschaft bleiben nicht straffrei. Angestrebt wird die Strafverfolgung und der Vollzug allfälliger Strafen im Tatortstaat nach internationalen Standards. Die Schweiz kann die allfällige Schaffung eines internationalen Spezialgerichts und den Strafvollzug vor Ort mit geeigneten Mitteln unterstützen.
Massnahmen zur Reintegration
Ist die Strafverfolgung im Tatortstaat nicht möglich, hat die Schweiz eine Verantwortung, ihre Staatsbürger strafrechtlich zu belangen, sobald sie sich wieder in der Schweiz oder in einem Staat befinden, mit dem die Schweiz rechtshilfeweise zusammenarbeiten kann. Für jene terroristisch motivierten Reisenden, die trotz allem in die Schweiz zurückkehren – ob erwachsen oder minderjährig -, sind zudem Massnahmen zur Reintegration zu treffen, und zwar vor, während und nach Verbüssung einer Strafe. Solche Massnahmen sieht der Nationale Aktionsplan zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus (NAP) vor, der Ende 2017 verabschiedet wurde.
Zwei Gesetzesprojekte
Der NAP wird ergänzt durch ein neues Bündel polizeilicher Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung, namentlich für den Umgang mit Gefährdern. Der Bundesrat wird dem Parlament dazu in Kürze seine Botschaft überweisen. Bereits am 14. September 2018 hatte er im Rahmen seiner Strategie zur Terrorismusbekämpfung die Botschaft zur Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen den Terrorismus verabschiedet.
Tijana Nikolic