Mit einer Zusatzinvestition von 874 Millionen Franken stützt der Bund auch die leidende Schweizer Rüstungsindustrie
Normalerweise kann die Armee einmal pro Jahr eine Einkaufsliste vorlegen, doch dieses Jahr kommt sie zweimal zum Zug. Zusätzlich zum ordentlichen Rüstungsprogramm 2015 wurde vor rund einer Woche zuhanden des Parlaments ein Extra-Rüstungsprogramm verabschiedet. Damit erfüllt die Landesregierung einen Auftrag des Parlaments. Dieses hatte nach der Ablehnung des Kampfjets Gripen im Herbst 2014 per Motion verlangt, mit einem Teil der eingesparten Gripen-Gelder Ausrüstungslücken bei den Bodentruppen zu schliessen. Für diesen Sondereffort legt der Bundesrat nun eine Beschaffungsliste im Umfang von 874 Millionen Franken vor – zusätzlich zu den 542 Millionen des regulären Rüstungsprogramms, das sich bereits in parlamentarischer Beratung befindet.
Die vier Beschaffungsvorhaben
Lastwagen
Für 558 Millionen Franken sollen 2220 geländegängige Duro-Lastwagen revidiert, modernisiert, umgebaut und mit neuen Motoren versehen werden, so dass sie weitere zwanzig Jahre fahren können. Die hohen Stückkosten von rund 250 000 Franken pro Fahrzeug begründet Bundesrat Ueli Maurer mit der langen Lebensdauer und den besonderen Fähigkeiten des Duros, die kein ziviles Fahrzeug habe.
Kommunikation
In den nächsten Jahren will die Armee einen Grossteil ihrer Kommunikationssysteme ersetzen. Damit will sie sich auch für die Übermittlung grosser Datenmengen fit machen. Für eine erste von sechs Investitionstranchen sind 118 Millionen Franken vorgesehen, unter anderem für 400 neue Richtstrahlanlagen.
Munition
Für 100 Millionen Franken werden die Munitionsreserven aufgestockt. Konkret sollen 70 Millionen Gewehr- und 60 Millionen Pistolen-Patronen sowie eine Million Handgranaten-Zünder beschafft werden.
Fliegerabwehr
Für 98 Millionen Franken soll die Lebensdauer der 35-mm-Mittelkaliber-Fliegerabwehr nochmals um einige Jahre verlängert werden. Die 35-mm-Kanonen werden vor allem für den Objektschutz eingesetzt, etwa im Rahmen des Weltwirtschaftsforums in Davos. Sie wirken bis Distanzen von zirka drei Kilometer.
Namentlich die letzte Investition wirft Fragen auf.
Warum nochmals 100 Millionen ausgeben?
Das Waffensystem stammt aus den 1960er Jahren und hat laut Armeeangaben eigentlich im laufenden Jahr definitiv das Ende seiner Nutzungsdauer erreicht. Schon länger hat die Armee angekündigt, die 35-mm-Kanonen – zusammen mit den beiden Raketen-Flab-Systemen Stinger und Rapier – durch eine moderne Bodengestützte Luftverteidigung (Bodluv 2020) zu ersetzen. Warum jetzt also nochmals fast 100 Millionen in ein Waffensystem investieren, das demnächst verschrottet wird? Der Rüstungschef Martin Sonderegger sagt dazu, dass mit dem Rüstungsprogramm 2017 vorerst eine neue Raketen-Flab für mittlere Reichweiten (bis maximal 40 Kilometer) beschafft werden soll. Erst anschliessend könne man über den Ersatz der 35-mm-Kanonen für kurze Reichweiten reden. Quasi als Überbrückungslösung will die Armee das Lebensende der 35-mm-Kanonen deshalb nun noch einmal hinauszögern. Mit dem zusätzlichen Rüstungsprogramm unterstützt der Bund auch die Schweizer Rüstungsindustrie, die in den letzten Jahren teilweise schwere Absatzprobleme hatte. Laut VBS-Angaben werden 93 Prozent der Güter im Inland hergestellt. Der Duro-Auftrag geht an die Firma Mowag. Bei der Kommunikation kommen die Firma Thales Schweiz und die bundeseigene Ruag zum Zug, bei der Munition ebenfalls die Ruag und bei der Kanonen-Flab die Rheinmetall Air Defence (ehemals Oerlikon Contraves).
Tijana Nikolic