Allianz Suisse bietet eine Versicherung gegen Skimming an; Ist man danach besser gegen Betrüger geschützt?
Wenn Kriminelle den PIN-Code und die Daten der Bankkarte ausspionieren, ist oft Schaden und fast immer Ärger programmiert. Mit den kopierten Daten haben die Ganoven Zugriff auf das Konto des Karteninhabers. Im besten Fall reagiert das automatische Betrugserkennungssystem. Registriert es ein typisches Missbrauchsmuster, wird die Karte umgehend gesperrt. Das schützt zwar das Konto des Karteninhabers, macht diesen aber, wo immer er Geld benötigt, handlungsunfähig. Gegen das Ärgernis, mit einer gesperrten Maestrokarte beim Bancomaten abzublitzen oder mit gesperrter Kreditkarte und leerem Portemonnaie im Restaurant die Rechnung nicht begleichen zu können, schützt keine Versicherung. «Die Fallzahlen bei Bancomaten sind gesunken.» Das ist die gute Botschaft, die Rolf Nägeli verbreitet. Der Chef des Kommissariats Prävention bei der Stadtpolizei Zürich gibt aber keine Entwarnung: «Die Fälle bei anderen Geldterminals, bei Tankstellen und Billettautomaten, haben zugenommen.» Nägeli vertritt die Stadtpolizei bei «Stop Skimming» – der Sensibilisierungskampagne gegen Kartenmissbrauch. Mit Skimming bezeichnet man das Manipulieren von Kartenautomaten. Dabei werden die Daten des Magnetstreifens kopiert und der PIN-Code ausgespäht. Ist das gelungen, können die Datendiebe von jedem Geldautomaten auf das Konto des Kartenbesitzers zugreifen. Skimming (Englisch to skim: absahnen, abschöpfen) gibt es seit Jahren. «Lange Zeit war es nur eine Randerscheinung», sagt Bernhard Wenger, Sprecher der Payment Services von SIX. 2010 wurde das Skimming in der Schweiz zum Problem. Man zählte 135 Fälle von manipulierten Bancomaten. 2011 schnellte die Zahl auf 489 hoch. Die Allianz Suisse verspricht aber Schutz gegen Schäden, die durch den missbräuchlichen Zugriff Dritter auf ein Bankkonto entstehen. Sei es, dass beim Onlinebanking Daten geklaut werden. Sei es, dass ein am Briefkasten eingeworfener Überweisungsauftrag herausgefischt und manipuliert wird. Oder sei es, dass die Daten der Bankkarte durch sogenanntes Skimming an einem Geld- oder Billettautomaten ausspioniert werden. Vom Versicherungsschutz gegen Skimming hält man bei der Stiftung für Konsumschutz wenig. «Das macht keinen Sinn», sagt André Bähler, Leiter Politik und Wirtschaft. «Wenn der Karteninhaber die Sorgfaltspflichten eingehalten hat, zahlt nach unserer Erfahrung die Bank den Schaden. Wenn er aber die Sorgfaltspflichten verletzt hat, weil er etwa den PIN-Code auf die Karte notiert hat, zahlt auch die Allianz nicht.» Tatsächlich schliesst die Allianz in ihren Vertragsbedingungen grobe Fahrlässigkeit aus. Sprecher Bernd de Wall betont aber, dass nicht genau definiert sei, für welche Schäden die Banken aufkommen. «In dieser Grauzone kommt der Kontoschutzbrief der Allianz Suisse zum Zug», sagt de Wall. Er erwähnt den Fall, bei dem eine Bank eine Kundin nicht entschädigte, weil sie das Eintippen des Codes nicht mit der freien Hand abgedeckt hatte.
Schmerzlich, aber nicht existenzbedrohend
Es gibt diese Grauzone. Das verdeckte Eingeben des PIN-Codes gehöre zur Sorgfaltspflicht, sagte Constantin Bregulla, bei der UBS Chef des Kartengeschäfts, bereits am 30. Dezember letzten Jahres gegenüber dem TA. Die UBS zeige sich in diesem Punkt aber kulant. Auch müsse sich der Kunde bei Unstimmigkeiten innerhalb von 30 Tagen melden. Die Regel sei aber, dass die Banken den Schaden übernehmen. Deshalb zweifelt auch Stefan Thurnherr, Versicherungsexperte beim VZ Vermögenszentrum, am Sinn des Allianz-Produkts. Skimming sei «nicht versicherungswürdig». Es sei nicht etwas, was man als notwendige Versicherung bezeichnen könne. «Es ist eher eine Ergänzungsversicherung, eine Art Wohlfühlpaket, das in Richtung Vollkasko-Mentalität geht», sagt Thurnherr. Er zieht den Vergleich zu einer Reiseversicherung: wenn man eine Reise, für die man 1000 Franken bezahlt habe, nicht antreten könne, sei das allenfalls schmerzlich, aber nicht existenzbedrohend.
Die Allianz rührt auch kräftig die Werbetrommel – mit TV-Spots und Aussagen, die nicht mehr topaktuell sind. «50 Prozent nahm Skimming allein zwischen Februar und März zu», liest man etwa auf der Internetsite der Allianz Suisse. Gemeint sind Februar und März 2011. Im ersten Quartal 2012 gingen die Fälle dagegen zurück.
Nicht mehr nur Bancomaten im Visier
Zurzeit weichen sie auf Kartenautomaten aus, die noch nicht aufgerüstet sind. Das sind vorab Billettautomaten, Tankomaten, aber auch Zutrittsleser, die bei Banken die Tür zu den Selbstbedienungszonen öffnen. Die UBS hat darauf reagiert. Statt mit der Karte kommt man bei der Grossbank seit einiger Zeit mit Knopfdruck in die Selbstbedienungszone. Ist nach wie vor die Karte gefragt, gibt SIX-Sprecher Wenger den Tipp, sich mit der Kreditkarte den Zutritt zu verschaffen, dann aber mit der Debitkarte am Automaten Geld zu ziehen. Denn die Daten von Debit- und Kreditkarte stimmen nicht überein, nützen einem allfälligen Datendieb also wenig. Kaum Probleme gibt es zurzeit bei den Zahlterminals im Detailhandel. Gemäss Wenger zählte man 2011 knapp zwei Dutzend Manipulationsversuche. Nur vier seien erfolgreich gewesen. Dessen ungeachtet spricht Rolf Nägeli von der Zürcher Stadtpolizei von einer klaren Verlagerung der Fälle. Obwohl im Moment weniger Bancomaten manipuliert würden, könne er keine Entwarnung geben: «Die Deliktsumme ist gemessen an der Vergleichsperiode des Vorjahres mindestens so hoch, wenn nicht sogar höher.» Bei der SBB hört man das nicht gern. 2011 hat man 81 Fälle von manipulierten Billettautomaten gezählt. Zum Jahr 2012 sagt Sprecher Reto Kormann: «Im Vergleich zum Vorjahr stellen wir in den ersten fünf Monaten – wenn überhaupt – nur eine leichte Zunahme der Skimming-Fälle fest.» Kormann fügt bei: «Das Wort ‹Verlagerung› würde ich dafür jedenfalls nicht in den Mund nehmen.» Nichtsdestotrotz wollen die SBB 1000 ihrer insgesamt 1500 Touchscreen-Billettautomaten der ersten Generation durch neue ersetzen: 150 Automaten 2013, in den zwei Folgejahren 480 beziehungsweise 370 Apparate.
Elvira, 41, wurde fast zum Opfer eines solchen Betrugs:
„Ich wurde vor etwa einem halben Jahr, fast zum Opfer eines solchen Betrugs. Ich bekam einen Anruf von einer unterdrückten Nummer. Meine Bank war dran. Sie fragten mich, ob ich vor einigen Stunden versucht hätte 1500 Schwedische Kronen in Schweden abzuheben. Ich war total verwirrt und brauchte eine Weile um zu begreifen um was es geht. Natürlich war ich es nicht, die versuchte diese Kronen abzuheben. Zum Glück dachten die bei der Bank sich das auch. Das automatische Betrugserkennungssystem hatte reagiert und meine Karte sofort gesperrt. Ich war sehr froh darüber. Ich habe mir jedoch gleich gedacht, was denn gewesen wäre, wenn ich tatsächlich nach Schweden gereist wäre und die hätten meine Karte zur Sicherheit gesperrt. Da hätte ich ein grosses Problem gehabt. Deswegen hebe ich mein Geld meistens vorher schon ab, um es sicher dabei zu haben. Man weiss ja nie. Ich war echt total baff und wusste nicht genau wie die an meinen Code gekommen sind. Da fiel mir jedoch ein, dass ich einige Zeit vorher, Schuhe im Internet bestellt hatte mit dieser Karte. Eventuell wurde ich dann so im Internet ausspioniert und die Karte irgendwie kopiert. Ich weiss nicht wie das ganze gemacht wird. Man muss wirklich immer sehr gut aufpassen.“
Tijana Nikolic