51 Staaten haben sich zur Einführung des automatischen Austauschs von Steuerdaten verpflichtet. Die Schweiz will nachziehen
Die Schweiz hat das Abkommen nicht mitunterzeichnet, unterstützt das Regelwerk aber. Es wurde vom sogenannten Global Forum ausgearbeitet, einer von der OECD initiierten Vereinigung, der 122 Länder angehören, auch die Schweiz. Sie will ein Jahr später nachziehen. Ab 2017 soll mit der Erhebung von Kontodaten ausländischer Steuerpflichtiger begonnen werden, ab 2018 soll ein erster Datenaustausch stattfinden können. Dies unter Vorbehalt, dass das Parlament und – wenn nötig – das Volk den notwendigen Gesetzen und Abkommen rechtzeitig zustimmen. Mit dem letzte Woche in Berlin unterzeichneten Regelwerk verpflichten sich die 51 Staaten, sich von Herbst 2017 an gegenseitig über Auslandskonten von Privatpersonen zu informieren. Durch den automatischen Informationsaustausch soll es für Steuerbehörden einfacher werden, Geldströme ins Ausland zu kontrollieren und so Steuerflucht weiter einzudämmen. Dieser Zeitplan der Schweiz wird von den anderen Staaten akzeptiert. «Der Druck auf die Schweiz hat abgenommen. Der vom Bundesrat angekündigte Zeitplan wurde von den anderen Ländern sehr gut aufgenommen», sagte Botschafter Fabrice Filliez, Chef der Schweizer Delegation. Zu den Nachzüglern, die das Regelwerk ein Jahr später umsetzen wollen, zählen auch andere Länder. «Wir sind in guter Gesellschaft mit der Hälfte der G20-Länder, mit Hongkong oder Singapur», sagte Filliez.
Bankgeheimnis soll fallen
Nachdem das Bankgeheimnis gegenüber dem Ausland im Jahr 2009 gefallen ist, wollen Politiker auch die finanzielle Privatsphäre gewisser Menschen in der Schweiz einschränken. Die Gelegenheit dazu bietet die schnelle Entwicklung hin zu einem automatischen Informationsaustausch (AIA). Klar ist: Ab dann wird die Schweiz automatisch Daten über ausländische Einkünfte und Vermögen von Personen erhalten, die hier steuerpflichtig sind. Ebenfalls klar ist: Es geht um viel Geld. 2011 schrieb der Bund, dass eine korrekte Besteuerung von Schweizer Geldern im Ausland zu zusätzlichen Steuereinnahmen von jährlich rund 1,15 Milliarden Franken führen könnte. Unklar hingegen ist, was mit den Daten geschehen soll. Innerhalb der bürgerlichen Kräfte zeichnet sich derzeit ein heftiger Streit über diese Frage ab. Dürfen die Kantone die Daten aus dem Ausland flächendeckend verwenden? Oder sollen sie wie inländische Gelder indirekt unter den Schutz des steuerlichen Bankgeheimnisses fallen? Für den Präsidenten der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren ist der Fall klar. «Es wäre unsinnig, wenn aus dem Ausland erhaltene Bankinformationen zu in der Schweiz steuerpflichtigen Personen durch kantonale Steuerbehörden nicht verwertet werden könnten, sondern auf die Halde kämen oder gar vernichtet werden müssten», sagt der Zuger Peter Hegglin.
SVP streng dagegen
Keine Freude an der Idee der freien Nutzung der Daten bekunden Kräfte aus CVP und SVP. «Für die Volkspartei ist klar, dass sie eine automatische Verwendung der Daten aus dem AIA in der Schweiz nicht akzeptiert», sagt Neo-Nationalrat und Banker Thomas Matter. Der Zürcher ist offensichtlich verärgert über die schweizerische Regierung: «Der Bundesrat hat stets beteuert, dass wir in der Schweiz ein anderes Verständnis der finanziellen Privatsphäre haben und ein automatischer Austausch im Inland nicht zur Debatte steht. Nun gibt es aber Hinweise, dass dieser Grundsatz unterwandert werden soll.» Der Bundesrat spielt den Ball also den Kantonen zu, hält aber fest: «Der internationale Standard enthält keine Vorgaben, wie die nationalen Steuerbehörden die Daten nutzen (zum Beispiel Stichproben oder flächendeckende Überprüfung der Daten).» Von der Option, die Daten gar nicht zu nutzen, ist im Faktenblatt nichts zu lesen. Voraussichtlich werden das Finanzdepartement und das Parlament diese Frage in einem Umsetzungsgesetz zum AIA klären müssen. Wie intensiv die Kantone die Daten aus dem AIA nutzen wollen, lässt der oberste Finanzdirektor Hegglin derzeit offen. «Grundlage für die steuerliche Veranlagung soll wie bisher die eingereichte Steuererklärung sein», sagt er. Wenn Zweifel an der Richtigkeit bestünden, gäbe es zukünftig eine weitere Kontrollmöglichkeit. «Ob dies systematisch oder nur stichprobenweise erfolgen wird, ist momentan schwierig zu beurteilen, es wird auch von der Qualität der erhaltenen Informationen abhängen», meint Hegglin. Noser als überzeugter Föderalist will den Kantonen einen möglichst grossen Spielraum geben: «Wie intensiv die Kantone die Daten konsultieren, sollen sie selber entscheiden. Die einen könnten die Daten flächendeckend überprüfen, andere hingegen nur stichprobenartig.
Das kommt nicht in Frage!
Für SVP und CVP kommt ein solcher Freipass hingegen nicht infrage: «Einzige Anwendungsfälle sollen in der Schweiz ein klarer Verdacht auf Steuerbetrug oder schwere Steuerhinterziehung sein», sagt CVP-Präsident Christophe Darbellay. Alles andere käme einer Art Verletzung des schweizerischen Bankgeheimnisses gleich. Ähnlich argumentiert Matter von der SVP: «Es kann doch nicht sein, dass wir Daten, die Steuerpflichtige in der Schweiz betreffen, unterschiedlich behandeln, je nachdem, ob die Vermögenswerte im Inland oder im Ausland liegen.» Matter schlägt vor, dass die Daten gar nicht erst an die Kantone gelangen sollen, sondern an eine neutrale Stelle: «Die Daten sollen an eine unabhängige Stelle, wie zum Beispiel die Schweizerische Nationalbank, gehen. Falls ein begründeter Verdacht auf ein Steuerdelikt vorliegt, sollen die Behörden an einen Richter gelangen, der dann entscheiden kann, ob die unabhängige Stelle die Daten herausgibt.» Es muss sich erst zeigen, ob sich die Bankgeheimnis-Hardliner durchsetzen oder Kräfte wie Noser und Hegglin. Noser verbindet mit den möglichen Einnahmen in der Höhe von 1,15 Milliarden Franken eine Hoffnung, die eine andere grosse Baustelle der Bundespolitik tangiert. Mit den zusätzlichen Steuererträgen aus dem AIA liesse sich die ebenfalls geplante dritte Revision der Unternehmenssteuern weit einfacher finanzieren als bisher angenommen.