Die Schweiz, das Land des Wintersports schlechthin hat seit 1948 keine Olympischen Spiele mehr durchgeführt
Die olympische Geschichte der Schweiz hatte vielversprechend begonnen. Bereits die zweite Austragung der Winterspiele war 1928 St. Moritz zugesprochen worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrten die Spiele 1948 in die Schweiz zurück, wiederum nach St. Moritz, an den luxuriösesten Wintersportort des Kantons Graubünden. Das war das letzte Mal, dass die Schweiz den olympischen Geist im eigenen Land erlebte. Seither musste die Sportwelt ihre Ansprüche senken. Sion 2006 war die letzte Kandidatur, die nicht nur eingereicht, sondern auch von einer Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen wurde. Aber die Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) entschieden sich damals nicht für die Walliser Kantonshauptstadt, sondern für Turin. Die anderen helvetischen Projekte, wie jene Lausannes von 1994 oder Berns 2010, scheiterten am Widerstand der Bevölkerung. Zuletzt waren es die Bündner Stimmbürger, welche die Kandidatur für die Spiele 2022 von St. Moritz und Davos – dem anderen grossen Wintersportort Graubündens – mit einer Mehrheit von 53% bachab schickten.
Der Bündner Misserfolg habe wenigstens das Verdienst, ein klares Signal an die verantwortlichen Instanzen des internationalen Sports gesendet zu haben, sagt Jörg Schild, Präsident von Swiss Olympic. “Wenn das IOC seine Kriterien für die Kandidaturen nicht ändert, wird in einem demokratischen Land wie die Schweiz kein Projekt an der Urne bestehen. Die Vergabe der Fussball-Weltmeisterschaft an Katar, der Gigantismus der Spiele von Sotschi, die Korruptionsaffären, die Doping-Skandale oder die Betrügereien mit Wetten sind eine Katastrophe für die Glaubwürdigkeit des Sports. Hier liegen die eigentlichen Gründe für den Misserfolg der Bündner Kandidatur vor dem Volk”, so Schild.
Image des Wallis verbessern
Laut mehreren Experten kann heute nur eine einzige Region mit der Unterstützung ihrer Bevölkerung rechnen: das Wallis. In dem von der Niederlage von Sion 2006 gezeichneten Kanton im Süden der Schweiz, der berühmte Wintersportorte wie Zermatt, Saas-Fee, Crans-Montana oder Verbier beheimatet, entfacht sich langsam wieder eine Begeisterung. Das Kantonsparlament hat seine Tourismushochschule beauftragt, eine Machbarkeitsstudie für eine neue Walliser¨Kandidatur für Winterspiele durchzuführen. Der freisinnige Parlamentarier Philippe Nantermod gehört zu den Urhebern dieser Idee. “Wir möchten aussergewöhnliche Spiele durchführen, in vernünftiger Grösse und nachhaltig. Ich bin überzeugt, dass es möglich ist, eine Mehrheit der Walliser Bevölkerung für ein solches Projekt zu überzeugen.” Noch ist kein konkretes Datum vorgesehen, aber Philippe Nantermod rechnet nicht mit einer möglichen Kandidatur “vor Mitte der Jahre 2020”. Eines der angestrebten Ziele ist es, den Walliser Tourismus zu beleben, “der unter der ausländischen Konkurrenz und dem starken Schweizer Franken leidet”, sagt Nanterod. Die Spiele hätten auch zur Folge, dass gewisse veraltete Infrastruktur-Bauten des Kantons renoviert würden, meinen Befürworter. Das Volk zu überzeugen, genügt aber nicht. Am Ende entscheiden die Mitglieder des IOC über die Vergabe der Spiele. “Seit den Spielen von Montreal von 1976 (die Veranstaltung kostete acht Mal mehr als budgetiert) hat sich die Anzahl Kandidaturen verringert. Diese stammen mehr und mehr aus autoritär regierten Ländern. Wenn das IOC in Zukunft die DNA der Winterspiele schützen möchte, könnte sich eine Schweizer Kandidatur als ideal erweisen”, sagt Jean-Loup Chappelet, Professor am Hochschul-Institut für Verwaltung (IDHEAP) in Lausanne und ehemaliger Exekutiv-Direktor des Komitees Sion 2006. Martin Müller, Professor an der Universität Zürich ist skeptisch: “Seit zehn Jahren beteuert das IOC, dass der Umfang der Spiele reduziert werden soll. Aber das Gegenteil ist der Fall. Die Beteiligten – das IOC, die nationalen olympischen Komitees, die Sponsoren, die Fernseh-Stationen, usw. – können sich den enormen Geldflüssen nicht entziehen, die ihrerseits von der Grösse des Anlasses abhängen. Deshalb können die Winterspiele derzeit nur in grossen Agglomerationen durchgeführt werden, die über ein angemessenes Hinterland verfügen. In der Schweiz kommen für das IOC höchstens Städte der Grösse von Zürich, Genf oder Lausanne in Betracht”, meint Martin Müller.