Ein Rahmenvertrag mit der EU führt die Schweiz auf direktem Weg in die EU. Dies erklärte Christoph Blocher beim Auftakt seiner Kampagne «gegen einen schleichenden EU-Beitritt»
Für Blocher, der im Mai aus dem Nationalrat zurückgetreten ist, um sich voll auf den Anti-EU-Kampf zu konzentrieren, erinnert der momentane Zustand der Schweiz an eine Diktatur. Er warnte die rund 600 Zuhörer vor «den diktatorischen Machenschaften». Er warf dem Bundesrat, der Mehrheit des Parlaments sowie den Richtern und Wissenschaftlern vor, sie wollten die Schweiz schleichend, aber gezielt in die Europäische Union führen. Das Volk habe nichts mehr zu sagen und werde hinters Licht geführt. In Bern habe man vergessen, dass die Schweizer keine fremden Richter wollten, und nun unterwerfe man sich ihnen. «Wenn wir eine institutionelle Bindung eingehen, erwachen wir eines Tages in der EU», so der ehemalige Nationalrat. Dies sei die logische Folge des bilateralen Weges. Wenn Blocher fragt «Schweizer Volk, wählst du die Anpassung oder den Widerstand?» und von einem «Anschluss der Schweiz an die EU» spricht, beschwört er damit bewusst die Bedrohungslage zur Zeit des deutschen Nationalsozialismus herauf. Der «Anschluss gegen den ausdrücklichen Willen des Volkes» erfolge in Form des von Bundesbern angestrebten Rahmenvertrags, mit dem die Schweiz verpflichtet werde, EU-Recht automatisch zu übernehmen und den EU-Gerichtshof als Gerichtsinstanz anzuerkennen. Wer das Schweizer Volk aufwecken will und sich nichts Geringeres als die Verhinderung «des schleichenden EU-Beitritts» auf die Fahne geschrieben hat, muss markige Worte verwenden. Niemand versteht dies besser als Christoph Blocher. So wurde seine Rede zum Auftakt des Kampfes gegen einen Rahmenvertrag mit der Europäischen Union im schwyzerischen Vorderthal zum flammenden Appell an die Widerstandskraft der Schweiz.
Vorgespielte Verhandlungen
Als neustes Beispiel, wie der Wille des Volkes bewusst und systematisch ausgeschaltet werde, nannte der Volkstribun die Umsetzung der SVP-Masseneinwanderungsinitiative. Bundesbern wolle gar nicht mit der EU verhandeln. Man tue nur so. Ziel sei es, aus Brüssel möglichst schnell ein schroffes Nein heimzubringen. «Man will einfach die Massenzuwanderung behalten», so Blocher. Die Situation sei ernst. Die Schweizerische Volkspartei werde nötigenfalls eine neue Initiative einreichen, die ausdrücklich die Kündigung des Vertrags zur Personenfreizügigkeit fordere und keinen Spielraum zulasse. Waren die Worte auch markig und der Applaus frenetisch – ganz geglückt ist der Anpfiff zum Kampf gegen die EU nicht. Wegen des gleichzeitig stattfindenden Schlagerspiels der Schweiz gegen Frankreich an der Fussball-WM war das Festzelt nicht gefüllt. Einige Plätze blieben leer. Zudem glänzte die SVP-Prominenz weitgehend durch Abwesenheit. Anscheinend hatten die Parlamentarier wenig Lust, unmittelbar nach der Session auch noch bei Blocher ihre Zeit zu verplempern.
Blochers treue Treichler
Als Präsident der SVP Wägital und des Vorderthaler 1.-August-Komitees organisierte Mächler nämlich eine Bundesfeier, die jeweils bis zu tausend Besucher anzuziehen vermochte. Für den Erfolg des «patriotisch ausgeprägten Volksfests», wie es in der Einladung von 2008 steht, garantierten die markigen Worte von Christoph Blocher, Ueli Maurer, Toni Brunner oder Christoph Mörgeli. Feinstimmlich unterstützt wurden die SVP-Tenöre von Schlagerstars wie Beatrice Egli oder Monique. Wie Mächler ausführt, gab es nur einen einzigen Politiker ausserhalb der SVP-Reihen, der als Redner infrage gekommen wäre. Der FDP-Mann Filippo Leutenegger. Doch die Gelegenheit hat sich nicht ergeben. 2013 war dann erst einmal Schluss, war doch der Aufwand immer grösser geworden. Doch untätig sein ist Kari Mächlers Sache nicht, und er hielt Ausschau nach einer neuen Herausforderung. Diese kam früher als erwartet, nämlich am 2. Januar dieses Jahres. Mit den von ihm gegründeten 1.-August-Trychlern ist der 61-Jährige bei fast allen Grossanlässen dabei, bei denen Christoph Blocher im Mittelpunkt steht. Sei dies bei der Wahl in den Bundesrat oder beim Gedenkanlass «20 Jahre Nein zum EWR-Beitritt» – Mächler und seine rund drei Dutzend Treichler sind mit von der Partie. So auch in der Festhalle Luzern, als Blocher Anfang 2014 drei grosse Zentralschweizer Persönlichkeiten ehrte. Da traf es sich gut, dass Ulrich Schlüer, seines Zeichens Sekretär und Strippenzieher des Komitees «Nein zum schleichenden EU-Beitritt», bei dieser Gelegenheit jemanden suchte, der den ersten Grossanlass des in Gründung befindlichen Stosstrupps durchführen würde. Die gegenseitigen Kontakte sind eng. Schlüer stand 2002 bei der Gründung der SVP Wägital Pate. Ein Wort gab das andere, und so wird am 20. Juni vor dem WM-Spiel Schweiz gegen Frankreich zuerst die Partie Blocher gegen die EU angepfiffen. Begleitet natürlich von den Vorderthaler 1.-August-Trychlern, verstärkt durch ein paar ebenso bodenständige Mannen aus dem Muotathal. Kari Mächler war stolz darauf, dass das Festzelt für rund tausend Besucher unmittelbar vor seinem Wohnhaus aufgebaut wird: «Das Wägital bedeutet Christoph sehr viel. Er kommt immer wieder gerne hierher und ist mit den Leuten eng verbunden.» Ein Heimspiel wird es für Blocher allemal, ticken doch die Leute in Vorderthal gleich wie er. Dass die SVP hier alles dominiert, weiss man nicht erst, seit die Initiative gegen die Masseneinwanderung einen Ja-Stimmen-Anteil von 85,6 Prozent erreichte.