Der Bundesrat hat die Botschaft zur Volksinitiative “Gegen Masseneinwanderung” verabschiedet und abgelehnt. Inhalt und Ziele dieser Initiative sind nicht mit der heutigen Zuwanderungspolitik der Schweiz vereinbar
Der Bundesrat stellt daher dem Parlament den Antrag, die Initiative Volk und Ständen ohne Gegenentwurf zur Ablehnung zu empfehlen. Die Volksinitiative, die am 14. Februar 2012 bei der Bundeskanzlei eingereicht wurde, verlangt eine grundsätzliche Neuausrichtung der schweizerischen Zuwanderungspolitik. Sie schlägt vor, jährliche Höchstzahlen festzulegen, mit denen die Schweiz die Zuwanderung eigenständig steuern könnte. Höchstzahlen und Bewilligungserteilungen sollen gemäss Initiativtext auf die gesamtwirtschaftlichen Interessen der Schweiz ausgerichtet werden, unter Berücksichtigung des Vorrangs für Schweizerinnen und Schweizer.
Der Anspruch auf dauerhaften Aufenthalt, Familiennachzug und Sozialleistungen kann beschränkt werden. Eine Annahme der Initiative würde der Schweizer Wirtschaft schaden und die bilateralen Beziehungen zu unseren europäischen Partnerländern in Frage stellen. Die vorgeschlagene Regelung ist mit dem Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) sowie mit der entsprechenden EFTA-Konvention nicht vereinbar. Sie führt zudem zu einem bürokratischen Mehraufwand. Der Bundesrat beantragt daher der Bundesversammlung, die Initiative Volk und Ständen ohne Gegenentwurf zur Ablehnung zu empfehlen.
Die Personenfreizügigkeit gehört zu den zentralen Grundfreiheiten, die aus Sicht der EU mit einer Teilnahme am europäischen Binnenmarkt verbunden sind. Bei einer Annahme der Initiative wäre die Weiterführung des FZA in Frage gestellt. Ein solches Szenario hätte gravierende Konsequenzen für die Schweizer Volkswirtschaft, die jeden zweiten Franken in der EU verdient. Das FZA ist eines von insgesamt sieben sektoriellen Abkommen, welche gleichzeitig zwischen der Schweiz und der EU abgeschlossen wurden. Bei einer Kündigung des FZA würden die andern Abkommen automatisch hinfällig. Zudem würde die von der Initiative geforderte Zulassungsregelung sowohl für die schweizerischen Arbeitgeber als auch für die Arbeitsmarkt- und Migrationsbehörden der Kantone und des Bundes zu einem erheblichen bürokratischen Mehraufwand führen. Die Initiative lässt sich so auslegen, dass sie den zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts nicht widerspricht. Sie ist deshalb gültig. Im Fall einer Annahme müsste bei der Umsetzung jedoch gewährleistet sein, dass das zwingende Non-Refoulement-Prinzip und weitere völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz eingehalten werden. Dies wäre insbesondere bei der geforderten Einführung von Höchstzahlen auch bei der Zulassung von Ausländern aus humanitären Gründen zu beachten.
Die Zuwanderungspolitik der Schweiz hat sich bewährt
Die Zuwanderungspolitik der Schweiz basiert auf dem Freizügigkeitsabkommen mit der EU (FZA) sowie einer beschränkten Zulassung von Angehörigen der übrigen Staaten aus wichtigen wirtschaftlichen Gründen. Dieser Grundsatz hat sich bewährt. Die Zuwanderung wird heute in erster Linie durch die wirtschaftliche Situation der Schweiz und die damit verbundene Nachfrage insbesondere nach qualifizierten Arbeitskräften gesteuert. Die Schweiz gilt als wettbewerbsfähigstes Land der Welt und hat eine ausserordentlich tiefe Arbeitslosenzahl. Der Bundesrat erachtet die Zuwanderung als einen der Schlüsselfaktoren für die ausgezeichnete Verfassung der Schweizer Volkswirtschaft. Deshalb will der Bundesrat an seiner Zuwanderungspolitik festhalten und allfälligen negativen Auswirkungen insbesondere in einzelnen Infrastrukturbereichen mit innenpolitischen Reformen begegnen.
Bereits mit der Einführung des Freizügigkeitsabkommens wurden flankierende Massnahmen eingeführt, um Missbräuchen insbesondere im Bereich der Lohn- und Arbeitsbedingungen zu begegnen. Eine Verstärkung dieser Massnahmen ist zurzeit geplant, zum Beispiel mit der Solidarhaftung. Das schweizerische Wirtschaftswachstum und die vergleichsweise hohe Zuwanderung der letzten Jahre haben zu einem Bevölkerungswachstum geführt. Dadurch sind die Herausforderungen insbesondere bei der Integration, beim Wohnungsmarkt, bei der Infrastruktur- und Raumplanung und bei der Bildungspolitik gestiegen. Die hohe Zuwanderung erhöht in den genannten Bereichen den innenpolitischen Reformdruck. Zu diesem Schluss kommt auch der Bericht der Arbeitsgruppe Personenfreizügigkeit und Zuwanderung, der am 4. Juli 2012 vom Bundesrat verabschiedet wurde. Ausschlaggebend für den Erfolg der Zuwanderungspolitik ist letztlich die berufliche und soziale Integration der Ausländerinnen und Ausländer. Sie ist heute trotz starker Zuwanderung insgesamt gut. Der Bundesrat plant zudem weitere integrationspolitische Massnahmen sowie eine Erhöhung der finanziellen Mittel.