Das verschärfte Hooligan-Konkordat wird nicht überall gleich angewendet. Doch der Ruf danach wird immer lauter
Vor dem Spiel der Young Boys gegen den FC Basel kam es am Samstagabend im Berner Breitenrainquartier zu Schlägereien zwischen Fangruppen. Bilanz: 4 Verletzte und 17 Verhaftete. Gleichentags boykottierten Anhänger des FC St. Gallen wegen angeblich zu hoher Ticketpreise die Partie gegen den FC Aarau. Stattdessen lieferten sie sich in der Aarauer Innenstadt Schlägereien mit Fans des Heimteams. – Ein normales Wochenende rund um den Schweizer Fussball. Eigentlich hatten die Verantwortlichen gehofft, solche Szenen mit dem verschärften Hooligan-Konkordat in den Griff zu bekommen. Die Kantone treffen in Zusammenarbeit mit dem Bund zur Verhinderung gewalttätigen. Verhaltens vorbeugende polizeiliche Massnahmen nach diesem Konkordat, um frühzeitig Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen zu erkennen und zu bekämpfen.
Verschärfungen Unverhältnismässig
Ins Leben gerufen wurde die Vereinbarung, der alle Kantone beigetreten sind, im Jahr 2007. Doch weil die aufgelisteten Massnahmen nicht ausreichten, wurde das Konkordat 2012 verschärft. Die revidierte Fassung haben inzwischen 15 Kantone ratifiziert. In mehreren Kantonen gab es Referenden; in den beiden Basel versagten die Parlamente die Ratifikation. Ende November kommt es auch im Kanton Schaffhausen zur Abstimmung: Juso, Jungfreisinnige und Fanklubs haben gegen das Konkordat das Referendum ergriffen, weil die Verschärfungen unverhältnismässig seien. Chancen werden dem Referendum kaum eingeräumt. Trotz politischen und rechtlichen Einwänden sind die Verschärfungen äusserst populär: In Zürich, Bern, Zug und Solothurn hiess sie das Volk mit Ja-Anteilen zwischen 78 und 86 Prozent gut. Alleine die hohe Zustimmung stärke den Sicherheitskräften den Rücken, sagt der Stadtberner Polizeidirektor Reto Nause (cvp.). Noch sei es für eine Bilanz zu früh, doch schon jetzt zeige sich, dass sich die Behörden dank der vorgesehenen Bewilligungspflicht für Sportanlässe in einer besseren Position befänden. Schon deshalb verstehe er das Abseitsstehen der beiden Basel nicht. Beim Hooliganismus brauche es eine gesamtschweizerische Lösung. In Basel stellt man sich auf den Standpunkt, dass eine kantonale Bewilligungspflicht auch ohne Konkordat möglich ist.
Kein Einstieg der Sicherheitskosten
Doch wie viel interkantonale Koordination ist bei der Bekämpfung von Gewalt bei Sportanlässen nötig? Diese Frage steht im Zentrum eines Treffens der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) vom Freitag, an dem sich die städtischen und kantonalen Bewilligungsbehörden in Bern austauschen wollen. Noch würden die Auflagen, die mit Spielen der obersten Ligen im Fussball und im Eishockey verknüpft werden könnten, erst zurückhaltend angewendet, sagt Generalsekretär Roger Schneeberger. Jetzt solle darüber diskutiert werden, ob es eine einheitliche Anwendung brauche. Zwar verzeichnet man in verschiedenen Städten eine zahlenmässige Stabilisierung im Bereich des Hooliganismus. Doch in welchem Zusammenhang dies mit dem verschärften Konkordat steht, ist offen. Auch im Abseits stehenden Basel registriert man keinen weiteren Anstieg der Sicherheitskosten pro Spiel. Der Zuger Sicherheitsdirektor Beat Villiger (cvp.) stellt dennoch fest: «Das Konkordat ist noch nicht in allen Kantonen richtig angekommen.» Wo es immer wieder zu Vorfällen komme, führe nur eine harte Gangart zum Ziel, ist er überzeugt. Seine Luzerner Amtskollegin Yvonne Schärli (sp.) hat bei der KKJPD wiederholt insistiert, dass eine national koordinierte Anwendung der Massnahmen notwendig sei. Allerdings zeigt sich gerade in diesen beiden Kantonen, dass der Spielraum von den Verantwortlichen höchst unterschiedlich genutzt wird. So hat der Kanton Zug den Eishockey-A-Ligisten EV Zug dazu gezwungen, die Identität sämtlicher Fans im Gästesektor zu erfassen. Seit März 2013 werden alle Ausweise gescannt, die Gesichter fotografiert und die Daten mit der Hoogan-Datenbank abgeglichen. Ursprünglich wollte auch der Kanton Luzern ID-Kontrollen für sämtliche Matchbesucher des FC Luzern einführen. Doch inzwischen ist man aus Rücksicht auf korrekt auftretende Fans bereits wieder zurückhaltend. Täterorientierte Massnahmen wende man in Luzern jedoch «konsequent und systematisch» an, heisst es bei der Sicherheitsdirektion. Statt auf Repression setzt auch der FC St. Gallen seit Saisonbeginn wieder auf ein freundlicheres Auftreten. Bei der Personenkontrolle im Gästesektor wird auf das jahrelang praktizierte, lückenlose Abtasten verzichtet. Denn trotz den scharfen Kontrollen konnte nie ganz verhindert werden, dass Pyros ins Stadion geschmuggelt wurden. Statt auf flughafenähnliche Sicherheitschecks setzt der Klub nun auf Videotechnik: Damit könne man die Fans genauso gut identifizieren – ohne normale Besucher unter Generalverdacht zu stellen.