Die Uni Lausanne hat das Abwasser der grössten Schweizer Städte auf Drogenrückstände untersucht. Nirgends wird so viel konsumiert wie in Zürich
Allein in Zürich werden täglich 1,7 Kilogramm reines Kokain konsumiert – in allen Städten zusammen sind es an jedem Tag durchschnittlich 8,8 Kilogramm reines Kokain. Da das im illegalen Schwarzhandel erhältliche Pulver höchstens zu 40 Prozent rein ist, dürften täglich gar 22 Kilogramm konsumiert werden. Auf das ganze Jahr hochgerechnet, werden in den grossen Schweizer Städten also über acht Tonnen Kokain verbraucht. Welche Drogen werden in welcher Menge konsumiert? Aufschluss darüber gibt das Abwasser – denn mit ihrem Urin scheiden Konsumenten auch die Stoffe aus, die beim Abbau der Drogen entstehen. Forscher der Universität Lausanne haben in Zusammenarbeit mit dem Wasserforschungsinstitut Eawag in 13 grossen Schweizer Städten Abwasserproben entnommen. Die Zeitung «Le Temps» berichtete über die die Resultate der Studie. Am meisten Drogen werden in den bevölkerungsreichsten Städten konsumiert.
„Das scheint mir relativ plausibel“, findet Alexander Bücheli, Projektmitarbeiter von Safer Nightlife Schweiz. Es sei zwar unklar, wie viele Konsumenten hinter dieser Zahl stehen. „Wenn man, als Schnitt zwischen Schwerabhängigen und Gelegenheitskonsumenten, von einem Gramm pro Person ausgeht, wäre dies mit 22’000 Konsumenten ein Prozent der Bevölkerung der Städte, in denen die Proben entnommen wurden“, erklärt er weiter.
Die Ergebnisse sind etwas schockierend
Bei Ecstasy/MDMA haben die Forscher für die Städte einen täglichen Verbrauch von 367 Gramm errechnet. Auch bei dieser Substanz liegt die Stadt Zürich auf dem ersten Platz der Rangliste. Auffällig ist hier jedoch, dass noch vor den Metropolen Basel und Genf die Stadt St. Gallen auf Platz 2 auftaucht. Eine regionale Besonderheit zeigt sich in Bezug auf Metamphetamine – besser bekannt als Crystal Meth: Hier liegt Zürich nur auf dem zweiten Platz, deutlich hinter Neuenburg. Laut den örtlichen Behörden gibt es in Neuenburg eine Szene von 200 bis 300 Meth-Konsumenten. Der Konsum der Substanz befindet sich Schweiz weit noch auf einem so tiefen Niveau, dass dies reicht, um die Stadt mit nur 35’000 Einwohnern an die Spitze der Rangliste zu hieven. Die Forscher haben ihre Proben sieben Tage in Folge entnommen – und konnten so feststellen, wie der Konsum der einzelnen Substanzen innerhalb einer Woche schwankt. Dabei bestätigte sich, dass Ecstasy und Kokain vor allem im Ausgang genommen werden – am Wochenende sind die Werte im Abwasser deutlich höher als unter der Woche. Dies ist beim Ecstasy noch viel deutlicher der Fall als beim Kokain. Bei einer schnell und stark abhängig machenden Droge wie Heroin hingegen zeigt sich dieser Effekt nicht: Gespritzt wird die Droge an Wochentagen genauso oft wie am Wochenende. „In der Partyszene war der Konsum in den letzten Jahren rückläufig, insgesamt ist er aber stabil“, weiss Bücheli Bescheid. Kokain werde vermutlich häufiger ausserhalb des Nachlebens genommen als früher. Das zeige sich auch daran, dass der Kokaingehalt im Abwasser am Wochenende weniger stark ansteigt als etwa bei einer reinen Partydroge wie Ecstasy, erläutert Bücheli weiter.
Die Abwassermethode hat ein Manko
Die Wissenschaftler der Uni Lausanne möchten ihre Abwassermessungen gern fortsetzen. «Auf lange Sicht kann dieses Vorgehen dazu beitragen, die Effekte der Drogenprävention zu evaluieren», sagt Pierre Esseiva, Kriminologieprofessor an der Uni Lausanne, zu «Le Temps». Zudem könne man so das Aufkommen neuer Substanzen frühzeitig erkennen. Ein Manko hat die Abwassermethode jedoch: Sie lässt keine Rückschlüsse auf die genaue Zahl, das Alter, Geschlecht und den sozialen Status der Drogenkonsumenten zu und sagt nichts über ihre Beweggründe, zu Drogen zu greifen.
Auf die Frage hin, ob dieser Konsum denn viel sei, meinte Bücheli, dass dieser Wert ihm im Vergleich zu dem, was er und seine Kollegen im Nachtleben so beobachten, eher tief erscheine. „Das wären bei einem Durchschnittsgehalt von 120 Milligramm über 3000 Pillen“.