Ein ganzes Wasserreservoir als Bühnenbild und die Zuschauer mitten drin. Der Theaterverband „KOLLEKTIV 20-14“ hat letztes Wochenende in Wipkingen Zürich das Theaterstück „Unter Eis“ vom deutschen Dramatiker Falk Richter auf eine besondere Weise verwirklicht
„…- we are paging passenger Paul Niemand.“ – „Am Flughafen gehe ich immer als Letzter ans Gate, ich mag diesen Moment, wenn alle auf mich warten müssen, ich genieße diesen Moment, wenn über alle Lautsprecher mein Name erklingt, Paul Niemand, Paul Niemand. Und neben mir diese Geschäftsmänner sehe, die langsam nervös werden, weil sie zu spät zur nächsten Konferenz kommen werden…»
Das Theaterstück «Unter Eis» von Falk Richter, zeitgenössischer Theaterregisseur und Dramatiker aus Hamburg ist ein Stück über Paul Niemand, gespielt im Monolog von Flavio Dal Molin. Er steht symbolisch für niemanden und für jeden. Er ist keine individualisierte Figur. Nur ein Synonym für jeden Menschen, dem vorgegeben wird er hätte eine Wahl sich dem System zu fügen oder nicht. Paul Niemand ist ein Symbol des verzweifelten Menschen der Menschlichkeit und Nähe sucht. Und die findet er – in seinen Gedanken.
„Der Mensch ist nie zufrieden“
Die Theater-Crew, bestehend aus Michèle Hirsig, Regio und Konzept, Petra Njezic, Szenographie und Konzept, Flavio Dal Molin, Schauspieler, Marcel Zehnder, Regieassistenz und Heinz Gubler, Video hat bereits im Februar im stillgelegten Wasserreservoir in Wipkingen Zürich vor vollem Haus uraufgeführt. Letztes Wochenende fanden drei weitere Vorstellungen statt, da das Stück auf grosses Interesse gestossen ist. „Der Mensch ist nie zufrieden in seinem Dasein und versucht in jeder Zeit, Epoche oder aus jedem System auszubrechen“, sagt die 27-jährige Petra Njezic, die für das Konzept und das Bühenbild von „Unter Eis“ verantwortlich war. Es lliege wohl in der Natur des Menschen immer etwas Neues zu wollen. „Die Regiesseurin und Produzentin Michèle Hirsig vom „KOLLEKTIV 20-14“ sprach mich im Oktober 2016 an, dieses Theaterprojekt im Anfangsstadium mit ihr zusammen zu ralisieren.
Und so begannen die ersten Gespräche und die Konzeptetnwicklung.“ Sie reizte der Gedanke, was man alles aus so einem Stück rausholen kann. Das universelle Leitmotiv sah die Crew als nahrhaften Boden für Experimentelles.
Die Location wurde gleichzeitig zur Bühne
„Wir entschieden uns für das Wasserreservoir an der Rosengartenstrasse in Wipkingen Zürich weil wir uns von Anfang an sicher waren, dass wir für dieses Experiment einen alternativen Spielort brauchen“, erklärt Njezic.So wuchs das Konzept mit dem Spielort zusammen. „Der Spielort verwandelte sich symbolisch zu einer Figur des Stücks und die ganze Location wurde zur Szenographie, was die Zuschauer auf die Probe stellte“, erklärt Njezic, die an der Schule für Angewandte Kunst und Design in Rijeka Kroatien studierte.
Das Wasserreservoir sei ein stillgelegtes Gebäude, das seit den 80er Jahren nicht mehr benuzt wird, eine Ruine ohne Heizung. Der Zuschauer sollte schon beim Betreten des Gebäudes in das Stück tauchen. „Der Vorstellungsraum selber, der ehemalige Maschienenraum des Wasserreservoirs, sollte den Zuschauer in die Welt des Paul Niemand einschliessen ohne Möglichkeiten zum entfliehen“, so Njezic. Das Publikum habe sehr positiv reagiert und war fasziniert von den Wasserreservoiren, die man sich nach der Vorstellung noch ansehen konnte.
Alle Charaktäre in einem Schauspieler vereint
In Falk Richters Stück treffen vier Figuren zusammen. Paul Niemand, ein Unternehmensberater, Karl Sonnenschein und Aurelius Glasenapp, ebenfalls Berater (jüngeren Jahrgangs) und ein Kind. Die Inszenierung macht aus vier einen – in Paul Niemand vereinen sich alle Figuren. Man sieht in Ihm das
Kind – die Vergangenheit mit seinen Kindheitserinnerungen und die Dämonen der Gegenwart und Zukunft, die ihm immer wieder Minderwertigkeitsgefühle einimpfen, er sei nicht mehr genügend für das System. Alle diese Charaktäre vereint der Halbitaliener Flavio Dal Molin aus Zürich in seinem Monolog als Paul Niemand. „Es war sehr ungewohnt alleine auf der Bühne zu stehen. Meistens ist man zu zweit oder in einer Gruppe und teilt sich so die Verantwortung“, sagt der freischaffende Schauspieler Dal Molin. Er habe intensiv an der Figur Paul Niemand gearbeitet und sei im Grossen und Ganzen sehr zufrieden, was auch der guten Vorarbeit der ganzen Crew zu verdanken ist.
„Theater kann alles sein“
Mit der Regisseurin Michèle Hirsig ging er in die Schauspielschule und ist seither sehr gut befreundet mit ihr, wodurch er von ihr für die Hauptrolle von „Unter Eis“ ausgesucht wurde. „Paul Niemand ist alle und niemand. Also ist er auch ich. Paul Niemand hat Charakterzüge und Gedanken, die mir nicht fremd sind, auch wenn sie bei mir nicht so ausgeprägt sind. Aber damit kann ich arbeiten“ erklärt der 38-Jährige.
Er habe schon als Jugendlicher Theater gespielt. Die Entscheidung Schauspieler zu werden und eine Ausbildung in diese Richtung zu machen, war ziemlich spontan. „Ich bin heute sehr froh, dass ich das durchgezogen habe. Ich habe eigentlich immer Rollen am Laufen. Momentan probe ich beispielsweise für das Theater am Hechtplatz in Zürich an einer Komödie. Ich wüsste gar nicht, was ich sonst machen sollte“, so Dal Molin. Das Theater sei spannend, er lerne immer wieder etwas Neues und versuche sich weiter zu entwickeln. „Theater ist Abenteuer, aber manchmal auch einfach nur Überwindung. Theater kann alles sein“.
„Durch meine Adern fliesst Olivenöl“
Bis jetzt hatte noch nicht die Gelegenheit bei einem italienischen Theaterstück mitzuspielen, würde sich aber darüber freuen. „Meiner Mama würde das sicher sehr gefallen“, schmunzelt Dal Molin. Seine Mutter sei Italienerin und komm ursprünglich aus Molise. „Für mich heisst Italien vor allem Essen. Meine Mutter hat mich mit ihrer Küche sehr stark geprägt. Durch meine Adern fliesst Olivenöl. Das Essen ist eigentlich immer ein Thema. Wenn wir telefonieren, sprechen wir gerne darüber, was heute auf dem Tisch steht und welche Zubereitungsart die beste ist.“
Tijana Nikolic