Nutzernahe Dienstleistungen wie obligatorische Schulen, Lebensmittelläden, Poststellen, Cafés oder Restaurants sind weit verbreitet. Mehr als 95% der Schweizer Bevölkerung verfügen zum Beispiel über mindestens einen Lebensmittelladen in ihrer Wohngemeinde
Solche, im Alltag benötigte Dienstleistungsangebote sind in den von städtischen Kernen unbeeinflussten Räumen im Verhältnis zur Bevölkerung zahlreicher als in den übrigen Gebieten, hingegen sind die Distanzen, um sie zu erreichen, grösser. Während in städtischen Kernräumen der nächste Laden im Mittel in weniger als einem halben Kilometer erreichbar ist, müssen Personen, welche ausserhalb des Einflusses solcher Kernräume wohnen, mehr als die doppelte Wegstrecke zurücklegen. Je nach Dienstleistung können die Disparitäten unterschiedlich stark ausfallen: Obligatorische Schulen sind für rund neun Zehntel der Bevölkerung in maximal zwei Kilometern erreichbar, unabhängig davon, wo sie wohnhaft ist. Die Wege zu Schulen der Sekundarstufe II betragen in Gebieten ausserhalb des Einflusses städtischer Kernräume demgegenüber für fast die Hälfte der Bewohnerinnen und Bewohner mehr als acht Kilometer, für einen Zehntel gar mehr als sechzehn Kilometer. In städtischen Kernräumen sind solche Wegdistanzen höchstens in Ausnahmefällen anzutreffen.
Wichtig für die Lebensqualität
Eine ausreichende Grundversorgung mit im Alltag benötigten Gütern und Dienstleistungen ist für die Lebensqualität von grosser Bedeutung. Die meisten Menschen wünschen dabei, ihre Konsumbedürfnisse mit wenig zeitlichem oder physischem Aufwand decken zu können. Einerseits lassen verbesserte Verkehrsangebote Distanzen kleiner werden und Online-Dienstleistungen lassen solche gar verschwinden. Anderseits können wirtschaftliche oder gesellschaftliche Rahmenbedingungen dazu führen, dass sich Wohnorte und Standorte für Leistungserbringer immer weiter entfernen. Je nach Region zeigen sich daher unterschiedliche Erreichbarkeiten wichtiger Dienstleistungen. Besonders für Menschen, welche keinen oder einen erschwerten Zugang zu individuell nutzbaren Verkehrsmitteln haben, sich diese nicht leisten können oder im Umgang mit neuen Kommunikationsmitteln Mühe zeigen, sind nahe gelegene Versorgungsmöglichkeit wichtig.
Dies gilt insbesondere für Kinder, Menschen mit Behinderungen und Betagte. Leichte Erreichbarkeit ist zudem ein wichtiger Faktor für die Standortattraktivität und damit für die Entwicklungschancen einer Region. Wenn sich die Versorgungslage in einzelnen Gebieten verschlechtert, das heisst, die regionalen Disparitäten in der Grundversorgung zunehmen, könnte dies daher die nationale Kohäsion gefährden. Für die Messung dieses Phänomens eignen sich zwei Methoden: Mit der räumlichen Verteilung von Dienstleistungsbetrieben kann gezeigt werden, welche Bevölkerungsanteile entsprechende Angebote innerhalb ihres Gemeindegebiets in Anspruch nehmen können. Mit der Erreichbarkeit wird die auf dem Strassennetz zurückgelegte Distanz zwischen dem Wohnort und dem Standort des nächstgelegenen Dienstleisters beschrieben. Die Analysen beziehen sich dabei auf rund dreissig standortgebundene, für das tägliche Leben bedeutsame Dienstleistungen.
Vier Fünftel der Gemeinden verfügen über Lebensmittelgeschäft
Ein grundlegendes Bedürfnis des menschlichen Daseins ist eine ausreichende Ernährung, dem Zugang zu Lebensmittelgeschäften dürfte daher wohl eine besonders grosse Bedeutung zugemessen werden. Im Jahr 2011 verfügten 79% der Gemeinden über mindestens ein Lebensmittelgeschäft. Allerdings lebten in diesen 97% Prozent der Bevölkerung. Dies bedeutet, dass es sich bei den Gemeinden ohne eigenes «Konsum» um vergleichsweise bevölkerungsschwache handelt. Besser als bei den Lebensmitteln ist die Abdeckung mit Gastrobetrieben oder obligatorischen Schulen, wobei Letztere für den Zuzug respektive Verbleib junger Familien eine besonders wichtige Rolle spielen.
Obschon Coiffeursalons und Garagen/Tankstellen wahrscheinlich seltener aufgesucht werden müssen, sind diese ähnlich häufig vorzufinden wie Lebensmittelgeschäfte. Kulturangebote wie Bibliotheken, Kinos, Museen oder Theatersäle sind umgekehrt stark konzentriert, meist in regionalen Zentren mit grossen Einzugsgebieten. Dies ist auch bei den Schulen der Sekundarstufe II der Fall: Sie sind in 12% der Gemeinden vorzufinden, sodass rund der Hälfte der Schülerinnen und Schüler eine Reise in benachbarte Gemeinden zugemutet wird. Der Anteil der Gemeinden mit mindestens einem Gastrobetrieb oder einer obligatorischen Schule ist in städtischen Kernräumen nur leicht höher als in Gebieten ausserhalb des Einflusses solcher Kerne. Bei den Lebensmittelläden und Banken beträgt die Differenz hingegen bereits gut einen Drittel. Gar doppelt so viele Gemeinden des städtischen Kernraums wie Gemeinden ausserhalb des Einflusses städtischer Kerne verfügen über mindestens eine Arztpraxis und sechsmal so viele über eine Schule der Sekundarstufe II.
Dienstleistungsbetriebe im Einflussgebiet städtischer Kerne untervertreten
Bei der Analyse, ob in einer Gemeinde mindestens ein Betrieb einer Dienstleistung vorzufinden ist, spielt die Grösse des jeweiligen Gemeindeperimeters eine wichtige Rolle. Umgehen lässt sich dies, wenn stattdessen das Verhältnis zwischen Betriebsstätten und Bevölkerung betrachtet wird. Verglichen mit dem schweizerischen Durchschnitt weisen kundennahe und daher häufige Dienstleistungen wie zum Beispiel (allenfalls selten bediente) Haltestellen des öffentlichen Verkehrs, Poststellen, obligatorische Schulen, Lebensmittelläden oder Banken in den Gebieten ausserhalb des Einflusses städtischer Kerne eine deutlich höhere Dichte auf. Umgekehrt sind seltenere Angebote wie Einkaufszentren, Kulturstätten oder die Gesundheitsdienste Apotheken, Zahnarzt- und Arztpraxen in städtischen Kernen übervertreten. Die Allgemeinspitäler weisen in Räumen ausserhalb des Einflusses städtischer Kerne eine ähnlich hohe Dichte auf wie in den städtischen Kernen selbst, sind im Mittel aber weiter entfernt. Im Einflussgebiet städtischer Kerne weisen die meisten Dienste eine geringere Dichte auf als im schweizerischen Durchschnitt.
Offensichtlich besteht dort eine Tendenz, benötigte Dienstleistungen in den – oft nahegelegen und als Arbeitsort gewählten – Kerngemeinden zu beziehen, während sich in Gebieten ausserhalb des Einflusses städtischer Kerne Dienstleister eher behaupten konnten. Das Dienstleistungsangebot lässt sich nicht nur aufgrund der Anzahl Betriebe, sondern auch der Beschäftigten beurteilen. So kann es durchaus sein, dass die Anzahl Betriebe pro Einwohner klein ist, in diesen aber viele Personen beschäftigt sind. Beispielsweise sind in städtischen Kernräumen verglichen mit der Einwohnerzahl weniger Lebensmittelgeschäfte oder Banken vorhanden als ausserhalb des Einflusses dieses Raums, doch werden in ihnen verglichen mit der Einwohnerzahl deutlich mehr Personen beschäftigt. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Dichte der in Dienstleistungsbetrieben beschäftigten Personen, aber auch die Vielfalt des Angebots, in städtischem Kernraum am grössten ist. In den Gebieten ausserhalb des Einflusses städtischer Kerne ist aber die höchste Dichte der Arbeitsstätten vorzufinden. Im Einflussgebiet städtischer Kerne sind sowohl Vielfalt als auch Dichten unterdurchschnittlich.
Die Erreichbarkeit der Dienstleistungen
Im Sinne einer Vertiefung wird nachfolgend die Distanz betrachtet, welche ausgehend vom Wohnort auf der Strasse zurückgelegt werden muss, um bestimmte Dienstleisteraufzusuchen. Der Einfluss der Grösse des Gemeindegebiets oder der Lage von Gemeindegrenzen kann so ausgeschaltet werden. Trotzdem führt die Analyse der Erreichbarkeiten zu ähnlichen Ergebnissen wie jene der Verteilung, denn die Distanzen werden logischerweise umso grösser, je seltener eine Dienstleistung vorhanden ist. Am nächsten liegen die Haltestellen des öffentlichen Verkehrs, wobei eine Qualifizierung hinsichtlich Häufigkeit und Schnelligkeit der Verbindungen unterbleibt. Ebenfalls besonders gut erreichbar sind wiederum häufig aufgesuchte Betriebe wie Gaststätten sowie obligatorische Schulen oder Lebensmittelläden. Auch Coiffeursalons und Garagen/Tankstellen sind nahegelegen. Allerdings sind die Distanzen zu den zuvor genannten Dienstleistern in städtischen Kernräumen rund halb so lang wie in Gebieten ausserhalb des Einflusses dieser Kerne. Noch grösser werden diese Disparitäten bei den – in der Regel seltener aufgesuchten – Angeboten im Kultur- oder Gesundheitsbereich. Und um eine Schule der Sekundarstufe II besuchen zu können, müssen Personen aus Gebieten ausserhalb des Einflusses städtischer Kerne gar fünfmal so lange Wege zurücklegen wie solche aus städtischen Kernräumen.
Eine kartographische Betrachtung bestätigt obige Aussagen:Häufig aufgesuchte Dienstleister wie Restaurants oder Cafés, also sozial wichtige Treffpunkte, liegen in den meisten Regionen weniger als zwei Kilometer Wegdistanz vom Wohnort entfernt und sind ziemlich gleichmässig auf die Schweiz verteilt (K1). Arztpraxen werden seltener aufgesucht und sind eher zentralisiert. Sie verlangen in peripheren Zonen des Juras oder Alpenraums oft (abgesehen von Tourismusorten) über zwei Kilometer Anfahrt, wobei allerdings nur 12% der Schweizer Bevölkerung davon betroffen sind.
Schulen in weniger als zwei Kilometern erreichbar
Während vorgängig durchschnittliche Distanzen analysiert wurden, kann auch gezeigt werden, wie sich unterschiedliche Wegdistanzen auf einzelne Bevölkerungsteile verteilen. Besonders deutlich wird dies bei den Schulwegen: Obligatorische Schulen können von 90% der Bevölkerung in weniger als zwei Kilometern erreicht werden, selbst wenn diese in peripheren Zonen ausserhalb des Einflusses städtischer Kerne wohnhaft ist. Auf Sekundarstufe II beträgt die Distanz für 90% der Personen aus städtischen Kernräumen weniger als vier Kilometer. Wenn sie hingegen in Gebieten ausserhalb des Einflusses städtischer Kerne wohnen, beträgt der Schulweg für nur gerade einen Viertel weniger als vier Kilometer, die Hälfte muss mit bis acht Kilometern und ein Zehntel gar mit über sechzehn Kilometern Schulweg rechnen. Ähnlich wie bei den Schulen der Sekundarstufe II verhalten sich auch die Disparitäten bei den Apotheken. Die Verteilung der Wegdistanzen unterscheidet sich bei den hier dargestellten Dienstleistungen in Gebieten ausserhalb des Einflusses städtischer Kerne nur wenig von derjenigen innerhalb des Einflussgebiets. Viel entscheidender ist, ob man in einem städtischen Kernraum wohnt oder eben nicht.
Die Methode
Diese Studie beruht auf bestehenden Statistiken und ermöglicht eine Quantifizierung der räumlichen Verteilung und der Erreichbarkeit von Dienstleistungen für die Bevölkerung. Sie dient der Beobachtung der Lebensqualität in den Regionen sowie der räumlichen Disparitäten. Hierbei handelt es sich um erste Ergebnisse, welche später verfeinert und ergänzt werden können. Zu den ausgewählten Dienstleistungen zählen markt- und nichtmarktbestimmte, öffentliche und private Dienstleistungen und Infrastruktureinrichtungen, welche die Bevölkerung bei ihren alltäglichen oder gelegentlichen Aktivitäten in Anspruch nimmt.
Die räumliche Verteilung der Dienstleistungen wird durch Betriebe- und Beschäftigtendichten (im Verhältnis mit der Bevölkerung) sowie durch den Anteil der versorgten Gemeinden analysiert. Die Erreichbarkeiten wurden auf der Basis des Schweizer Strassennetzes gemessen. Massgebend war die Distanz zwischen dem Zentrum jeder bewohnten Hektare und dem Standort des nächstgelegenen Dienstleisters. Die Distanz wurde mit der Wohnbevölkerung gewichtet. Das Schienennetz und die Verkehrsverbindungen über ausländisches Territorium wurden wegen methodischen Gründen nicht berücksichtigt. Die Analyse berücksichtigt nur den Standort von Dienstleistern, jedoch weder die Attraktivität oder sonstige Qualitätsmerkmale des Angebots noch die tatsächliche Inanspruchnahme. Hauslieferdienste sowie Online-Dienste bleiben unberücksichtigt, ebenso der schriftliche oder elektronische Verkehr mit Banken oder Verwaltungsstellen. Solche Verteilkanäle gewinnen zunehmend an Bedeutung.