Die stabile Konjunktur in der Schweiz und die hohe Nachfrage nach Fachkräften macht Jobwechsel
attraktiver. 60 von 100 befragten Personalmanagern verzeichnen einen Anstieg der Mitarbeiterwechsel
in den vergangenen drei Jahren
Mehr als zwei Drittel der befragten HR-Manager (70 %) befürchten in den nächsten Monaten Mitarbeiter an andere Unternehmen zu verlieren. Dies ergab die aktuelle Arbeitsmarktstudie von Robert Half. Die von Robert Half entwickelte Arbeitsmarktstudie wird jährlich in zwölf Ländern erhoben: Australien, Belgien, Brasilien, Chile, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Neuseeland, Niederlande, Österreich, Schweiz, Vereinigte Arabische Emirate. Die Befragung wurde im April 2016 von einem internationalen, unabhängigen Meinungsforschungsinstitut unter 100 HR-Managern in der Schweiz durchgeführt.
Erhöhter Druck auf Unternehmen
„Früher blieben Arbeitnehmer während ihrer beruflichen Laufbahn oft einem oder zwei Arbeitgeber treu. Heute wechseln Arbeitnehmer häufig bereits nach drei bis fünf Jahren. Diese Entwicklung erhöht den Druck auf die Unternehmen, die ohnehin schon Schwierigkeiten haben, geeignete Fach- und Führungskräfte zu rekrutieren“, stellt Yeng Chow, Senior Manager bei Robert Half in Zürich, fest. „Wir stellen fest, dass sich nur wenige Unternehmen mit dieser Herausforderung strukturiert befassen und ihre Fluktuationsrate bzw. die Mitarbeiterbindung aktiv managen. Dafür eignen sich besonders Exit-Gespräche. Hierbei können die Kündigungsgründe systematisch erfasst und anschliessend analysiert werden. Das wäre ein erster und sehr effektiver Schritt, um Verbesserungsmassnahmen zu definieren, mit denen die Mitarbeiterfluktuation auf ein gesundes Mass reduziert wird.“
Arbeitnehmer wollen Erfahrungen sammeln
Laut der Arbeitsmarktstudie von Robert Half wechseln Arbeitnehmer in erster Linie, um neue Erfahrungen in
anderen Unternehmen und Branchen zu sammeln (47 %) oder um bei einem attraktiveren Unternehmen zu arbeiten (43 %). Ein höheres Gehalt und bessere Entwicklungsmöglichkeiten (je 40 %) sind laut den befragten Personalmanagern weitere wichtige Wechselmotive. Ausserdem entscheiden Mitarbeiter zu gehen, wenn der neue Arbeitgeber bessere nicht-finanzielle Zusatzleistungen bietet, wie 35 % der befragten Personaler glauben. „Exit-Gespräche sind für die gesamte Personalarbeit – vom Recruiting über die Mitarbeiterbindung bis zum Employer Branding – ein wertvolles aber noch unterschätztes Instrument“, sagt Personalexperte Yeng Chow. „Ein Vergleich der Wechselgründe hilft massgeblich, die eigene Arbeitgeberattraktivität einzuordnen. Das kommt nicht nur der Mitarbeiterbindung, sondern auch den Rekrutierungsbemühungen zugute. Spezialisierte Personaldienstleister können hier behilflich sein. Aufgrund der Vielzahl ihrer Gespräche mit Bewerbern und Arbeitgebern können sie eine fundierte Einschätzung aussprechen und bei der Personalsuche effizient unterstützen.“
Richtiges Verhalten ist wichtig
Das Ziel eines Austrittsgesprächs ist eine offene und ehrliche Einschätzung des Mitarbeiters. Der ideale Rahmen hierfür ist ein direktes, vertrauensvolles Gespräch, ähnlich einem Mitarbeitergespräch. Geraten wird auf Standardfragebögen zu verzichten. Weiter birgt die Zeit nach der Kündigung bis zum Abschied Konfliktpotenzial. Der künftige Ex-Mitarbeiter möchte die eigene Position nicht schwächen und Konfrontationen aus dem Weg gehen. Der wahre Kündigungsgrund wird daher häufig geschönt oder verschwiegen. Ist das Arbeitszeugnis schon ausgestellt und steht die Trennung kurz bevor, ist es wahrscheinlicher, dass man ein ehrliches Feedback bekommt..
Bestimmte Probleme – etwa Konflikte zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem – wird ein Exit-Interview in ebendieser Konstellation nicht zu Tage fördern. Vielmehr sollte eine geschulte und neutrale Person das Gespräch führen, beispielsweise ein Kollege aus der Personalabteilung. Auch ist Vertraulichkeit bei Exit-Interviews wichtig: Der Mitarbeiter muss sich darauf verlassen können, dass sensible Aussagen sorgsam behandelt werden – gerade wenn es um Konflikte mit dem Vorgesetzten geht.
Wichtig: das Positive auch hervorheben
Man soll sich im Exit-Interview nicht nur auf den Kündigungsgrund beschränken. Die Situation kann genutzt werden, um die Stimmung im Unternehmen, das Verhältnis zwischen den Abteilungen und die eigenen Karrierepläne anzusprechen. Hierbei sind Mitarbeiter unterschiedlich offen – zurückhaltende Personen kommunizieren Kritik häufig nur über indirekte Wege, um niemanden eine Schuld zuzuweisen. Im Exit-Gespräch sollte vor allem der Mitarbeiter sprechen. Es geht darum, seine Wechselentscheidung zu verstehen und daraus die richtigen Schlüsse für das Unternehmen zu ziehen. Möchte ein Mitarbeiter eine Frage nicht beantworten, sollte nicht unnötig nachgebohrt werden. Ein einzelnes Exit-Gespräch wird wenig Aufschluss geben. Das Abschlussgespräch soll jedem künftigen Ex-Mitarbeiter auf freiwilliger Basis angeboten werden. Die Angaben aus verschiedenen Exit-Interviews können viel besser analysiert werden. Überall, wo Überschneidungen festgestellt werden, sollten gezielte Massnahmen umgesetzt werden. Ist beispielsweise ein höherer Verdienst das häufigste Wechselmotiv, sollten der Betrieb anhand von Gehaltsübersichten das Angebot anpassen.
Tijana Nikolic