Die Betreuung dieser Kinder stellt die Kantone vor grosse Herausforderungen
Bis vor wenigen Jahren war die Kategorie unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UMA) in der Schweiz praktisch unbekannt. In den letzten beiden Jahre ist die Zahl der Kinder, die sich ohne ihre Eltern auf die Flucht machen, sprunghaft angestiegen. 2014 ersuchten gemäss dem Staatssekretariat für Migration (SEM) 795 Flüchtlingskinder um Aufnahme in der Schweiz. Das sind 3,34 Prozent aller Asylbewerber und entspricht einer Verdoppelung gegenüber 2013. Weitaus am meisten unbegleitete Minderjährige kommen aus Eritrea (521), es folgen Afghanistan (52), Somalia (50) und Syrien (44). Über 80 Prozent sind zwischen 15 und 18 Jahre alt und männlich. Weil diese Kinder und Jugendlichen gemäss Kontingentsschlüssel auf die ganze Schweiz verteilt werden, betrifft der Anstieg gleichermassen alle Kantone.
Seit Ende März führt der Kanton Thurgau eine eigene Schule für unbegleitete minderjährige Asylsuchende. Nachfolgend ein Augenschein. Ein eigenes Handy, gute Freunde und genügend Taschengeld. Die zwölf Schüler der Schule für unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UMA) in Weinfelden TG haben die gleichen Wünsche wie ihre Altersgenossen mit Schweizer Pass. Das Mobiliar im Schulzimmer ist veraltet, Computer gibt es keine. «Für ihre Integration braucht es vor allem eine angepasste Betreuung und klaren Strukturen», sagt Susanne Höllwarth, Gesamtleiterin der Peregrina-Stiftung. Im Auftrag des Kantons Thurgau kümmert sich die Stiftung um die Unterbringung und Betreuung von Asylsuchenden, für die Bereitstellung von Notunterkünften, die Begleitung anerkannter Flüchtlinge und die Betreuung der UMA.
Eine klare Tagesstruktur ist unabkömmlich
Die zehn Schüler und zwei Schülerinnen der UMA-Schule haben einen straffen Stundenplan mit 26 Lektionen pro Woche. Besonderen Wert werde auf die Fächer Deutsch und Mathematik gelegt, sagt Schulleiterin Edina Krizevac-Medic. Aber auch klare Regeln und Sozialverhalten werden vermittelt. Anwesenheit ist Pflicht. Wer schwänzt, dem wird ein Teil des Taschengeldes gestrichen. Einmal wöchentlich gibt es eine Leistungsbeurteilung. Die meisten Jugendlichen haben nur bis zur vierten Klasse eine Schule besucht – weil sie in ärmlichen Verhältnissen aufwuchsen oder weil sie sich vor dem Militär verstecken mussten, so Krizevac-Medic. Bis 2014 betreute der Kanton Thurgau in der Regel zwei bis drei UMA. 2014 waren es 22 und aktuell sind es 31, elf davon sind erst seit Juni dem Kanton Thurgau zugeteilt. Die UMA-Schule eröffnet deswegen Anfang August eine zweite Klasse. Unterrichtet werden die Schüler von zwei ausgebildeten Lehrerinnen und einem Zivildienstleistenden. Solange sie schulpflichtig sind, werden die UMA in öffentliche Schulen eingeteilt. Sechs Jugendlichen sind es zurzeit im Kanton Thurgau. Zwei sind in einem Integrationsprogramm und ein Schüler beginnt nach den Sommerferien eine Lehre im Gastrobereich. Die Peregrina-Stiftung versuche für jeden unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden die angepasste Betreuung zu finden, Klare Tagesstrukturen seien für eine gute Integration ganz wichtig, sagte Höllwarth.
Die Schüler der UMA-Schule leben entweder in Durchgangszentrum in Weinfelden oder Arbon. Zwei Jugendliche, die mehr Betreuung brauchen, werden seit kurzer Zeit in einer beaufsichtigen Unterkunft betreut. Eine Familie, ebenfalls aus der Heimat geflohen, kontrolliert das Verhalten der Jugendlichen. Ein Jugendlicher ist in einer Pflegefamilie untergebracht. Auch Kochen und Putzen steht auf dem Stundenplan der UMA-Schule. Zwei Schüler, beide 17-jährig, sind in der Küche für das Mittagessen verantwortlich. Das Mädchen stammt aus Somalia, ihr Kollege aus Eritrea. Über die Hintergründe der Flucht, welche manchmal jahrelang gedauert hat, erzählen die Jugendlichen nur wenig. «Sie sind alle übers Meer nach Europa gekommen», sagt die Lehrerin. An den freien Nachmittagen sind die Jugendlichen in Beschäftigungsprogramme eingeteilt, etwa bei Aufräumarbeiten im Wald oder im Naturschutz. So können sie ihr Taschengeld, drei Franken pro Tag, aufbessern. Jeder Minderjährige hat einen von der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) ernannten Beistand. Asylgesuche von UMA werden prioritär behandelt. Werde eine unbegleitete minderjährige Person weggewiesen, müsse sichergestellt werden, dass sie in der Heimat von Erwachsenen aufgenommen werde, sagt Höllwarth, welche zurzeit einen ausreisepflichtigen Jugendlichen betreut.
Tijana Nikolic