Die Digitalisierung im Detailhandel schreitet voran: Bereits 60 Prozent der Konsumenten verwenden digitale Geräte. Leidtragende sind laut der Gewerkschaft Unia die Beschäftigten: Das Personal stehe unter massivem Druck
Die Angestellten seien wegen der neuen Technologien wie Self-Scanning oder Self-Checkout vermehrt dem “aggressiven und unangemessenen Verhalten der Kundeschaft” ausgesetzt, hiess es am Donnerstag an einer Medienkonferenz der Gewerkschaft Unia in Bern. Vorgestellt wurde eine von der Unia bei der Universität Bern in Auftrag gegebene Studie über die Auswirkung der Digitalisierung im Detailhandel.
Existenzsichere Löhne werden gefordert
“Auch im Detailhandel muss die Digitalisierung sozial gestaltet werden”, sagte Unia-Präsidentin Vania Alleva vor den Medien. Deshalb fordert die Gewerkschaft bessere Arbeitsbedingungen und existenzsichernde Löhne. Laut der Studie verdienen Frauen “durchschnittlich und zum Teil massiv weniger als ihre männlichen Arbeitskollegen”.
„Darf keinesfalls zum Abbau von Stellen führen“
“In dieser ausgesprochenen Frauenbranche müssen die Digitalisierungsgewinne eingesetzt werden, um die Lohngleichheit in der Branche durchzusetzen.” Die Branchenriesen Migros und Coop sollten dabei mit gutem Beispiel vorangehen, hiess es weiter. Der Einsatz der Kassensysteme dürfe keinesfalls zum Abbau von Stellen führen. Laut Alleva könnte die Digitalisierung eine Chance sein, wenn die Angestellten in den Veränderungsprozess der Branche integriert werden.
Aggressive Kunden
Die Folgen der Digitalisierung der Kassensysteme mit Self-Scanning und Self-Checkout seien für die Angestellten “gravierend”. Selbstbedienungskassen in Supermärkten führen nicht etwa zu weniger Arbeit für das Verkaufspersonal – im Gegenteil. Die Studie zeigt, dass Verkäuferinnen immer mehr Aufgaben wie Kontrolle und Überwachung übernehmen müssen und oft mit aggressiven Kunden zu tun haben.
Hat nicht mehr viel mit dem Verkaufsberuf zu tun
In diesen Bereichen seien die Angestellten nicht ausgebildet worden. Insbesondere müssten sie kontrollieren und überwachen – was nicht mehr viel mit dem Beruf einer Verkäuferin oder eines Verkäufers zu tun habe. Fundierte Schulungen im Umgang mit den neuen Technologien und den damit verbundenen Aufgabenbereichen sind laut Unia deshalb dringend nötig, denn zu Stosszeiten werden bis zu 50 Prozent des Umsatzes an Self-Scanning-Kassen generiert.
Nur Drei-Stunden-Schichten Self-Checkout-Kassen
Zudem führe das lange Stehen zu starken körperlichen Belastungen. Deshalb fordert die Gewerkschaft einen besseren Schutz des Personals. Statt Schichten von acht Stunden dürfe es höchstens Drei-Stunden-Schichten geben.
Zwei Drittel weibliche Angestellte
Ebenfalls sind die Arbeitsbedingungen mit Stundenlohn, hohen Anforderungen an die Flexibilität und fehlenden Berufsperspektiven vielerorts prekär. Deshalb fordert die Gewerkschaft unter anderem Arbeitseinsätze, die 14 Tage im voraus planbar sind. Rund zwei Drittel der Beschäftigen im Detailhandel waren im Jahr 2015 Frauen. Auch bei den Teilzeitstellen sei der Frauenanteil überdurchschnittlich hoch.
4000 Self-Scanning-Kassen generieren 20 bis 40% des Umsatzes
Insgesamt sind bei Coop und Migros 4000 Self-Scanning-Kassen im Einsatz. Diese generieren 20 bis 40 Prozent des Umsatzes. Gleichzeitig sparen die Unternehmen laut der Studie Personalkosten, weil die Zahl der Beschäftigten seit den 1990-er Jahren langsam aber stetig sinkts. In der Branche sind laut Studie 240’000 Personen Vollzeit angestellt. 323’000 Beschäftigte arbeiten Teilzeit.
Tijana Nikolic