Im Studium sind viele Studenten im Dauerstress und in den Semesterferien fallen sie in ein Loch: Sie wünschten sich lieber Studienabschlüsse im Schnelldurchlauf
Im Sommer haben Vollzeitstudenten rund drei Monate am Stück keine Vorlesungen. Die Ferien zwischen dem Frühlings- und dem Herbstsemester sind einigen Studenten mittlerweile aber nicht mehr heilig. «Die Semesterferien sind eher zu lang», sagt Dominic E. Tschümperlin, Zentralpräsident des Schweizerischen Studentenvereins.
Kein Grund morgens aufzustehen
Man könne darüber diskutieren, diese Ferien zum Beispiel um zwei Wochen zu kürzen. «Nach der Prüfungsphase, die die ganze Zeit aufgefressen hat, fallen einige Studenten in ein Loch.» Manche sähen keinen Grund mehr, morgens überhaupt aufzustehen. Oft litten Studenten deshalb unter einer sogenannten Entlastungsdepression. Den Betroffenen rät der Studentenverein deshalb etwa zu einem Ferienjob. Unverhältnismässig kurz sei dagegen das vollgepackte Semester. «Würde das Semester etwas länger dauern, hätten die Studenten mehr Zeit, um den Stoff zu repetieren, zu arbeiten und sich ehrenamtlich zu engagieren.»
«Masterabschluss in 3,5 statt 5 Jahren»
Auch Jonas Schmidt, Co-Präsident des Verbands der Schweizer Studierendenschaften VSS, ist der Ansicht, dass die Strukturen überprüft werden müssen. «Vor allem in den Prüfungsphasen sind die Studierenden sehr belastet. Der Leistungsdruck hat zugenommen», sagt Schmidt. Jedoch sei er auch skeptisch. «Ich befürchte, dass die Stundenpläne bei einem verlängerten Semester noch voller bepackt sein würden, anstatt dass sie Entlastung schaffen würden.»
SVP will Studiengänge straffen
Auch Bildungspolitiker hinterfragen das aktuelle System. «Grosse Lücken sind nie gut», sagt SVP-Nationalrat Felix Müri. Er schlägt vor, Studiengänge zu straffen und so die Anzahl Semester zu senken. «Würde man die langen Semesterferien kürzen, könnten Studenten schon nach 3,5 anstatt 5 Jahren einen Masterabschluss in der Tasche haben.» Auf dem Arbeitsmarkt seien junge, gut ausgebildete Arbeitskräfte gefragt. «Gerade auch für Frauen wären kürzere Studiengänge von Vorteil.» Schliesslich komme es immer wieder vor, dass Akademikerinnen gleich nach dem Studium aufgrund von Mutterschaft vom Arbeitsmarkt wegfallen.
Ferien als Prüfungsvorbereitung nutzen
SP-Nationalrätin Martina Munz fände es sinnvoller, die Semesterprüfungen nach dem Vorbild der ETH auf das Ende der Semesterferien zu legen. Einen grossen Teil der Semesterferien sollten die Studierenden mit Prüfungsvorbereitungen zur Vertiefung des Stoffes verbringen. «Ansonsten kann nicht genügend Wissen aufgebaut werden.»
«Genug Zeit zum Arbeiten»
Kürzere Semesterferien treffen aber auch auf Widerstand. «Es gibt Studenten, die während des ganzen Semesters eher wenig machen und dann in der Prüfungsphase alles auf den letzten Drücker erledigen wollen», stellt Robin Pickis, Sport- und Geografiestudent und Gründer der Social-Media-Site Schwiizchiste, fest. Als Student müsse man sich die Zeit während des Semesters einteilen können, wodurch die Prüfungsphase dann auch etwas weniger stressig ausfalle. Zudem führe man in den Semesterferien nicht unbedingt ein Schoggileben. «Viele Studenten sind froh, wenn sie dann genug Zeit zum Arbeiten haben, um Geld für das nächste Semester zu verdienen.» Auch sei es in einigen Studiengängen in dieser Zeit ein Praktikum Pflicht.
Hochschulen bleiben locker
Hochschulen sehen keinen Handlungsbedarf. «Bei Semesterferien handelt es sich um eine vorlesungsfreie Zeit, die nicht mit Ferien gleichzusetzen ist», sagt Martina Weiss, Generalsekretärin von Swissuniversities, der Rektorenkonferenz der schweizerischen Hochschulen. In dieser Zeit würden etwa Arbeiten geschrieben, Prüfungen durchgeführt oder Praktika absolviert. «Sowohl die Verantwortlichen für die Lehre an den Hochschulen wie auch die Studierenden nutzen diese Zeit, um sich unabhängig von der Agenda der Lehrveranstaltungen auf unterschiedliche Aktivitäten konzentrieren und diese vertiefen zu können.»
Tijana Nikolic