Bei den Löhnen haben die Männer immer noch die Nase vorn. Für gleichwertige Arbeit verdienen Frauen laut Bundesrätin Simonetta Sommaruga (SP) 7,4 Prozent oder 585 Franken
pro Monat weniger als Männer. Jährlich macht dies einen nicht erklärbaren Lohnunterschied von rund 7000 Franken aus
Letzte Woche entschied der Ständerat, dass sowohl private als auch öffentliche Unternehmen ab 100 Mitarbeitern künftig eine Lohngleichheitskontrolle durchführen und diese überprüfen lassen müssen. Vorgesehen ist, dass das Gesetz spätestens neun Jahre nach Inkrafttreten evaluiert wird und auf zwölf Jahre befristet ist. Damit hat sich der Ständerat zum ursprünglichen Antrag der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur durchgerungen. Noch im Februar hatte die kleine Kammer eine Vorlage des Bundesrats, die Unternehmen bereits ab 50 Mitarbeitern zu Lohnanalysen verpflichten wollte, an die Kommission zurückgeschickt und Alternativen gefordert. Das sorgte bei den Befürwortern für heftige Kritik. Sie sahen in den Forderungen einen Vorwand zur Tatenlosigkeit. Als Nächstes befindet der Nationalrat über das Gesetz.
Keine Luftsprünge deswegen
Luftsprünge machen linke Politikerinnen auch jetzt nicht. «Nach der Ohrfeige, die der Ständerat den Frauen in der letzten Session gegeben hat, ist das Ja nur ein überfälliger Schritt», sagt SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen. Bis zur Lohngleichheit sei es noch ein weiter Weg. «Will man wirklich Lohngleichheit schaffen, müssen auch Unternehmen ab 50 Mitarbeitern zu Lohnanalysen verpflichtet sein und Sanktionen definiert werden.» Es gebe keine Zeit mehr zu verlieren. «Es ist schon unhaltbar, dass wir im Jahr 2018 überhaupt noch für Lohngleichheit kämpfen müssen.» Die ungleichen Löhne verletzten den Gleichheitsgrundsatz fundamental und seien ein Hindernis für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Gesetzesvorschlag gehe zu wenig weit
Auch Grünen-Nationalrätin Irène Kälin spricht von einem «minimalistischen Schritt nach einem ersten Schlag ins Gesicht aller Frauen». Der Gesetzesvorschlag gehe zu wenig weit. «Ich werde den Verdacht nicht los, dass die Männer unserem Anliegen nicht gerecht werden wollen.» Es sei ein Hohn, dass Gegner die Lohnanalysen als bürokratisches Monster verkauften. «Dabei benötigt eine solche Analyse gerade mal einen Arbeitsaufwand von einem Tag.»
«Den KMUs ist der Lohngleichheitsdialog gelungen»
Auch bürgerlichen Politikern werden die Lohngleichheitskontrollen nicht gerecht. «Sie sind nichts weiter als ein neues unnötiges Regulativ», sagt FDP-Nationalrat Hans-Ulrich Bigler. Es werde missachtet, dass die Lohndifferenzen in den letzten Jahren zurückgegangen seien.
«Den KMUs ist der Lohngleichheitsdialog gelungen», sagt der Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands. Habe eine Mitarbeiterin den Eindruck, dass sie weniger verdiene als ihr Kollege, könne sie jederzeit Lohnverhandlungen führen. «Die Frage ist nicht, ob Löhne gerecht sind oder nicht, sondern wie man seine Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt verkauft.»
«Für die gleiche Leistung gibt es den gleichen Zapfen»
Auch SVP-Nationalrat Mauro Tuena lehnt Lohngleichheitskontrollen ab. «Es ist klar: Für die gleiche Leistung gibt es den gleichen Zapfen», sagt Tuena. Dafür müsse kein Bürokratieapparat aufgebaut werden. Lohngleichheit könne bereits heute vor Gericht eingeklagt werden. «Schwarze Schafe gibt es leider immer. Aber der allergrösste Teil der Firmen bezahlt Frauen und Männern gleiche Löhne für den gleichen Job.» Frauen, die Lohndiskriminierung erleben, seien ihm noch nie begegnet. Passe ihnen der Lohn nicht, hätten sie dieselben Gründe wie die Männer. «Jeder findet doch, dass er ein paar Franken mehr verdient hätte.»
Tijana Nikolic