4,8 Prozent der Studierenden in der Schweiz haben Kinder. Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern ist dieser Anteil eher niedrig. Studierende mit Kindern unterliegen einer grossen zeitlichen Belastung, die sich auch auf ihr Studium auswirkt
Studierende Eltern beabsichtigen seltener ein Masterstudium oder einen Mobilitätsaufenthalt als Studierende ohne Kinder. Diese und weitere Facetten zur Vereinbarkeit von Studium und Familie zeigt eine neue Publikation des Bundesamts für Statistik. 4,8 Prozent der Studierenden an den Schweizer Hochschulen haben Kinder. Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern gibt es in der Schweiz relativ wenige Studierende mit Kindern: So liegt ihr Anteil etwa in den skandinavischen Ländern, Portugal und Irland über 10 Prozent. Der Anteil der Studierenden mit Kindern hängt von der Altersstruktur der Studierenden in den verschiedenen Ländern ab. Auch bei der Altersgruppe der Studierenden ab 30 Jahren weist die Schweiz unter den verglichenen Ländern mit 30,4 Prozent den zweitniedrigsten Anteil an Studierenden mit Kindern auf. In sieben von elf Vergleichsländern hat hingegen mehr als die Hälfte der Studierenden ab 30 Jahren Kinder. Studierende mit Kindern wenden pro Woche 72,1 Stunden für das Studium, die Erwerbstätigkeit, sowie Zeit für Familie und Haushalt auf – rund 20 Stunden mehr als ihre kinderlosen Mitstudierenden.
Dies ist hauptsächlich auf den viel höheren Aufwand für Haus- und Familienarbeit zurückzuführen (Studierende mit Kindern: 26,6 Stunden pro Woche, Studierende ohne Kinder: 4,6 Stunden pro Woche). Während studierende Mütter mehr Zeit in Haus- und Familienarbeit investieren (32,9 Stunden pro Woche, Väter: 18,4 Stunden pro Woche), wenden studierende Väter mehr Zeit für die Erwerbstätigkeit (24,9 Stunden pro Woche, Mütter: 11,5 Stunden pro Woche) auf.
22,8 Prozent der studierenden Väter geben an, neben dem Studium einer Vollzeit-Erwerbstätigkeit nachzugehen. Unter den Studenten ohne Kinder beträgt dieser Anteil lediglich 3,7 Prozent. 48,1 Prozent der Studierenden mit Kindern sind mit ihrer Arbeitsbelastung nicht zufrieden. Bei den Studierenden ohne Kinder beträgt dieser Anteil 29,1 Prozent. Die Form der Kinderbetreuung während dem Studium ist bei Müttern und Vätern sehr unterschiedlich. Während fast drei Viertel (71,3%) der Väter angeben, dass ihre Partnerin die Kinderbetreuung übernimmt, trifft dies nur auf einen Sechstel (15,1%) der Mütter zu. Die Betreuung ihrer Kinder wirkt sich auf das Studium der Eltern aus. Die Konsequenzen für die Mütter sind dabei grösser als für die Väter. Sie geben eher an, wegen der Kinderbetreuung Veranstaltungen nicht besuchen zu können, einen gewünschten Mobilitätsaufenthalt nicht absolvieren zu können oder an gesundheitlichen Problemen durch die Doppelbelastung von Familie und Studium zu leiden. Kinder zu haben beeinflusst auch den Verlauf des Studiums: Studierende mit Kindern beabsichtigen im Bachelorstudium seltener, ein Masterstudium aufzunehmen (38,8%) als Studierende ohne Kinder (58,5%). Auch Mobilitätsaufenthalte kommen für vier von fünf Studierenden (79,9%) eher nicht in Frage. Bei den Studierenden ohne Kinder gilt dies für weniger als die Hälfte (48,3%).
Beispiel einer Studentin – Sandra, 22, aus Wohlen AG
Sie hat einen eineinhalb jährigen Sohn. Hauptberuflich studiert sie an der Pädagogischen Hochschule in Zürich. Dies ist Ihre Erstausbildung. Nebenbei arbeitet Sie 20% an einer Heilpädagogischen Schule und in einer Kinderkrippe, um über die Runden zu kommen. Tagsüber ist der Kleine in der Krippe oder bei ihren Eltern, die sie stark unterstützen. Ohne ihre Hilfe wäre sie total überfordert. Alles unter einen Hut zu bringen, lässt sie an ihre Grenzen stossen. Von der Schule bekommt sie praktisch keine Unterstützung. Man zeigt kaum Verständnis für studierende Mütter, was das Ganze noch viel schwieriger macht.
Eigentlich sollte man an einer Schule, die Kindergärtner ausbildet, mehr Verständnis in dieser Hinsicht erwarten. Stipendien bekommt Sie auch keine. Es heisst, ihr Ex-Mann und Vater des Kindes sei für die Unterstützung zuständig, von ihm kann sie aber keine erwarten. Sandra und ihr Sohn müssen monatlich mit rund 1700Fr. auskommen. Und nur der Kinderkrippenplatz des Kleinen kostet alleine circa 600 Franken! Ohne die Hilfe und die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern würde sie das alleine kaum schaffen. Im Herbst dieses Jahres erhöht sie Ihr Arbeitspensum auf 50%. Sie hat leider keine andere Wahl. Dadurch verzögert sich natürlich auch die Studienzeit. Ihr Ziel ist es, Sozialpädagogin zu werden, dafür muss sie den Master machen. Und unter diesen Umständen erscheint es nicht äusserst erstaunlich, dass so wenige Studenten Kinder haben. Vielleicht sollten die Schulen in Zukunft einfach etwas kinderfreundlicher werden.
Tijana Nikolic