Callcenter und Werbefirmen rufen immer häufiger auf Handynummern an, die öffentlich weder bekannt noch registriert sind
Es bestehen 20 000 Beschwerden gegen Werbeanrufe, die beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) seit April 2012 eingegangen sind; seit dann gilt das Beschwerderecht für derartige Anrufe. Das Seco klagt, wenn wirtschaftliche Interessen von mehreren Personen verletzt oder gefährdet werden. Es hat bisher 17 Abmahnungen gegen Firmen ausgesprochen, 17 verurteilt und 41 Klagen bei der zuständigen Strafbehörde eingereicht. Diese Zahlen scheinen angesichts der vielen Beschwerden bescheiden. Dass nicht gegen mehr Werbefirmen geklagt werde, sei darauf zurückzuführen, dass die Anrufer nicht oder nicht immer identifiziert werden könnten, sagt Fabian Maienfisch, Mediensprecher des Seco. Die Werbefirmen riefen oft aus dem Ausland an, weshalb die zuständigen Strafbehörden nicht an die für sie nötigen Informationen gelangen könnten. Oder es wäre mit einem unverhältnismässigen Aufwand verbunden, diese zu beschaffen, erklärt Maienfisch. Diese Erfahrung macht auch Sepp Huber, der Medienchef von Swisscom: «Callcenter im Ausland sind nur schwer ins Recht zu fassen.» Sie täuschen eine Schweizer Telefonnummer oder solche von Dritten vor und rufen mit einer dem Angerufenen bekannten Nummer an. Dieses «Spoofing» wird durch Programme im Internet ermöglicht und ist mit Spam-Mails vergleichbar, die ebenfalls eine falsche Adresse vortäuschen. Dadurch wird ein Rückschluss auf die Identität des Anrufers quasi verunmöglicht. Es sei zwar möglich, die Nummer hinter der sichtbaren Telefonnummer zu sperren, sagt Huber. Technisch sei dies aber schwierig. Und die Callcenter seien technologisch um Nasenlängen voraus. Ein Kunde könne Telefonnummern, von denen er keine Anrufe mehr erhalten wolle, auf eine Sperrliste setzen, sagt Maienfisch. Das kann aber mitunter heikel sein. Denn diese Telefonnummern gehören Personen, die nicht wissen, dass ihre Telefonnummern von Werbefirmen missbraucht werden. Solche Nummern kann eine Fernmeldedienst-Anbieterin nicht so ohne weiteres blockieren.
Bundesrat verweist auf Stern
Wie diese Firmen an die Handynummern gelangen, ist unklar. Eine Motion der Ständerätin Anita Fetz (Basel-Stadt, sp.) will Werbeanrufe auf Mobiltelefone in der Schweiz daher verbieten lassen – allerdings nicht für Personen, die solche Anrufe weiterhin wünschen. Es besteht aber im Moment keine Garantie, dass die Werbeanrufe gestoppt werden könnten. Damit sich Mobiltelefon-Besitzer in der Schweiz gegen Werbeanrufe schützen und die Anrufer strafrechtlich verfolgt werden können, müssen die Telefonbesitzer die Nummern öffentlich registrieren und mit einem Stern-Eintrag versehen lassen. Doch viele wollen ihre Nummer gar nicht veröffentlichen. Zudem nützen Stern-Einträge wenig, weil Werbefirmen sie ignorieren.
Zurück zum Gesetzgeber und zur Motion von Anita Fetz: Der Bundesrat lehnt diese Motion in einer Stellungnahme ab und verweist auf den Stern-Eintrag im Telefonbuch, der vor unerwünschten Anrufen schützen soll. Gleichzeitig will er im Fernmeldegesetz weitere Massnahmen gegen Werbeanrufe prüfen. Prisca Birrer-Heimo, Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz, fordert einen besseren Schutz der Konsumenten und auch die Umsetzung technischer Lösungen. Welche dies sein könnten, ist offen. Das Bundesamt für Kommunikation wird sich dazu bis zur Vernehmlassung der Revision Ende 2015 nicht äussern.