Innerhalb der Gefängnisse im Wallis herrsche eine angespannte Lage, sagt Polizeikommandant Christian Varone. Immer wieder komme es zu Gewalt gegen das Personal
Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) hat in den Walliser Untersuchungsgefängnissen von Sitten und Martigny ein «zu einschränkendes Haftregime» festgestellt. Zudem zeigte sie sich besorgt über die Personalknappheit in den beiden Gefängnissen. Die Anti-Folter-Kommission veröffentlichte einen Bericht über ihren Besuch in den Untersuchungsgefängnissen von Sitten und Martigny zwischen dem 27. und 29. November 2012. Dabei traf sie laut Mitteilung grundsätzlich korrekte Verhältnisse und geregelte Abläufe an. Hingegen stufte sie das Haftregime der Untersuchungshaft, welches analog auch auf Personen im Strafvollzug und Personen in ausländerrechtlicher Administrativhaft angewendet wird, als zu einschränkend ein. Besonders besorgt zeigte sich die Kommission über die Personalknappheit in beiden Gefängnissen.
Gemäss den Ausführungen des Vorstehers des Departements für Bildung und Sicherheit (DBS) liegt jetzt die «äusserst besorgniserregende» Antwort vor, wonach ein solcher Fall auch im Wallis denkbar ist. Laut Freysinger betreffen die Missstände erstens die Strafvollzugsanstalten, die in hohem Masse überbelegt seien und mit personellem Unterbestand sowie fehlenden Mitteln zu kämpfen hätten.
Zweitens betreffen sie die Justiz, die sich mit langwierigen Verfahren herumschlage, und drittens die Polizei, die gezwungen sei, immer mehr Personen festzunehmen und sich dabei mit einer ständig zunehmenden Aggressivität konfrontiert sehe. Der Walliser Justiz- und Polizeivorsteher Oskar Freysinger hat als Reaktion auf das Tötungsdelikt in Genf dringende Massnahmen beschlossen. So werden Sozialarbeiterinnen ab sofort von Sicherheitspersonal begleitet. Ausserdem beantragt Freysinger zusätzliche Stellen für die Gefängnisse. Der tragische Tod einer Sozialtherapeutin vom 13. September in Genf habe aufgezeigt, welche Gefahr von gewissen Straftätern ausgehe, sagte der Walliser Staatsrat Freysinger (SVP) heute an einer Medienkonferenz in Sitten. Er habe deshalb das Sicherheits- und Strafvollzugssystem im Wallis analysieren lassen. Ohne die emotionale Karte spielen zu wollen, habe sein Departement in Übereinstimmung mit den im Wallis betroffenen Instanzen beschlossen, die Problematik der gefährlichen Straftäter auf allen Stufen und Ebenen in Angriff zu nehmen, sagte Freysinger. Ab sofort sollen folgende dringende Massnahmen umgesetzt werden: Sozialarbeiterinnen, die einen gefährlichen Straftäter ausserhalb seiner Strafanstalt betreuen müssen, werden immer von Sicherheitspersonal begleitet. Sobald ein gefährlicher Straftäter ins Walliser Strafvollzugsregime ein- oder übertritt, sorgen die betroffenen Behörden für einen systematischen Austausch aller relevanten Informationen.
Sehr angespannte Lage
Innerhalb der Gefängnisse herrscht gemäss den Ausführungen des Walliser Polizeikommandanten Christian Varone eine angespannte Lage: «In den letzten Monaten mussten wir mindestens ein Mal pro Woche wegen beginnender Meutereien, Ausbrüchen, Selbstmordversuchen oder körperlicher Gewalt gegen das Personal intervenieren; letzteres ist übrigens am Ende. Wir haben hier eine Zeitbombe.»
Wegen Personalmangels werden im Gefängnis von Sitten beispielsweise keine vertieften Durchsuchungen mehr durchgeführt, wie Georges Seewer, Chef der Dienststelle für Straf- und Massnahmenvollzug, sagte. Der Mangel an Aufsehern erkläre auch die Schliessung der Beschäftigungsateliers und die Tatsache, dass die Häftlinge nur noch in den Genuss von eine Stunde Sport pro Woche kämen. Das Wallis zählt derzeit 47 Gefangene, die wegen schwerer Verletzung der körperlichen, psychischen und sexuellen Integrität verurteilt wurden. Sechs von ihnen werden als «sehr gefährlich» eingestuft. Für diese Kategorie der sehr gefährlichen Sexualstraftäter wurden die dringenden Massnahmen in erster Linie beschlossen, wie Freysinger an der Medienkonferenz ausgeführte. Sie dürfen ab sofort bei Ausgängen nicht mehr von einer Frau allein begleitet werden. Für ausländische Straftäter, die gestützt auf ein Abkommen mit ihrem Herkunftsland ausgeschafft werden können, soll nach Verbüssen ihrer Strafe ein prioritäres Verfahren eröffnet werden. Das DBS beantragt ferner bei den anderen Kantonen ein Einsichts- und Mitbestimmungsrecht, was das Vollzugsregime von Personen angeht, die von anderen Kantonen in Walliser Anstalten platziert werden. Im Gegenzug gewährt der Kanton Wallis den Kantonen das gleiche Recht.
Und schliesslich soll als dringende Massnahme bei Hafturlauben und Ausgang das Entwöhnungsmittel Antabus abgegeben werden. Als Begründung wird angeführt, dass Alkohol die Hemmschwelle senkt und somit besonders bei Sexualstraftätern einen Risikofaktor darstellt. Es werde deshalb darauf geachtet, dass der Gefangene beim Austritt nicht unter Alkoholeinfluss stehe. Als mittelfristige Massnahmen beantragt das DBS beim Grossen Rat die sofortige Schaffung von zehn zusätzlichen Stellen in den Strafanstalten. Departements Vorsteher Freysinger will im Übrigen an der Justiz- und Polizeidirektorenkonferenz vom kommenden 31. Oktober die Koordination von interkantonalen Massnahmen verlangen.