Viel Kaffee, wenig Schlaf und tagelanges Büffeln des Prüfungsstoffs: So sieht zurzeit der Alltag von vielen Studenten aus. Ein Glück, wenn Prüfungen aus den Vorjahren zirkulieren, die zeigen, was verlangt wird
Doch nicht immer sind die alten Prüfungen bewusst publiziert worden. So wurde Wirtschaftsstudenten der Universität Zürich letzte Woche eine fast identische Prüfung wie im vergangenen Jahr vorgelegt. Die Vorjahresprüfung zirkulierte zwei Wochen vor dem Prüfungstermin online in einem Studentenforum. Die Uni prüft nun, wer den Prüfungsbogen entwendet hat und ob die Prüfung wiederholt wird.
«Kommt immer wieder vor»
Knatsch mit einer unrechtmässig veröffentlichten Prüfung gab es vor einem Jahr auch bei den Jus-Prüfungen an der Universität Bern. «Es kommt immer wieder vor, dass alte Prüfungen oder einzelne Prüfungsfragen an Schulen und Hochschulen wiederverwendet werden», sagt Tobias Vögeli, Vorstand der StudentInnenschaft der Universität Bern (SUB). Er hat deshalb den Fall an das Berner Verwaltungsgericht weitergezogen. Es entscheidet voraussichtlich im Herbst 2018.
Einzelne Fragen zu recyclen sei ok
Ob das «Recyclen» von Prüfungsfragen jedoch zulässig ist, darüber ist man sich uneins. «Man darf gleiche Fragen stellen», sagt die Zürcher Rechtsanwältin Susanne Raess. «Es ist jedoch alles eine Frage des Ausmasses: Eine deckungsgleiche Frage wie im Vorjahr ist unproblematisch, bei einer grösseren Anzahl gleicher Fragen wird es heikel.» Nicht nur an Hochschulen ist die Problematik bekannt, Raess kennt auch Fälle von Gymnasien, Berufs- und Fachhochschulen.
Einzelne Prüfungsfragen erneut zu verwenden, darin sieht auch Tobias Vögeli kein Problem. «In Jus-Prüfungen werden gewisse Bundesgerichtsentscheide, wie zum Beispiel der ‹Papageien-Fall›, immer wieder mit fast identischen Fragen geprüft.» Auch im Medizinstudium sei es teilweise nicht möglich, neue Fragen zu «erfinden».
«Schlicht und einfach unprofessionell und faul»
Besteht eine Prüfung jedoch zu grossen Teilen aus vorgängig publik gewordenen Fragen und muss deshalb wiederholt werden, ist der Frust für viele Studenten gross. In beiden obigen Fällen drohen Studenten selbst wiederum mit rechtlichen Schritten oder haben bereits Rekurs eingelegt. Für den Zürcher Fachverein Ökonomie (fvoec) ist Kopieren der Prüfungsfragen vom letzten Jahr «schlicht und einfach unprofessionell und faul».
Klärung der Rechtslage sei nötig
«Die Studenten fühlen sich dadurch verunsichert», sagt Camille Lothe, Präsidentin der JSVP Kanton Zürich, die selbst an der BWL-Prüfung an der Uni Zürich war. «Eine Klärung der Rechtslage ist nötig», sagt Lothe. Auch Tobias Vögeli fordert Klarheit: «Es braucht ein Gerichtsurteil zur Frage des ‹Prüfungs-Recyclings›, welches die Rechtslage klärt.» Angesichts der Häufigkeit sei dies überfällig.
«Alle Prüfungen veröffentlichen»
Vögeli geht sogar noch weiter: «Um Ungerechtigkeiten bei der Prüfungsvorbereitung zu verhindern, plädieren wir zudem dafür, dass sämtliche Prüfungen, die ohnehin zirkulieren, veröffentlicht werden. So haben alle den gleichen Vorteil.» Dies hält auch Lothe für eine gute Idee: «Einzelne Professoren tun dies bereits jetzt schon regelmässig. So kann man sich ausgezeichnet vorbereiten und es ist für alle fair.»
Tijana Nikolic