Jahrelang ist das Schweizer Schienennetz zu wenig unterhalten worden. Gleichzeitig hat die Belastung durch die steigende Mobilität zugenommen
Der Bund will ein Fitnessprogramm für das schlecht unterhaltene Schienennetz. In einem zentralen Punkt sind sich das Bundesamt für Verkehr (BAV) und die SBB einig: Bei der Bahninfrastruktur besteht Nachholbedarf. Zwar sind die Anlagen gemäss mehreren Berichten in einem guten Zustand. Jener der Fahrbahn ist jedoch nur genügend.
Die SBB haben die Unterhaltsarbeiten in den vergangenen paar Jahren kontinuierlich erhöht und in der Leistungsvereinbarung 2013-2016 auch selber finanziert. Der Bund stellte für diese Zeit für Betrieb und Unterhalt des Netzes total 6,6 Milliarden Franken bereit. Für die Periode 2017-2020 stockt der Bund die Subventionen auf rund 7,6 Milliarden Franken auf. Um die immer höheren Unterhaltskosten in den Griff zu bekommen, setzt der Bund nun auf verschiedene Massnahmen.
Lebensdauer der Infrastruktur muss verlängert werden
Damit die Kosten in den kommenden Jahren nicht ganz aus dem Ruder laufen, empfiehlt das BAV den SBB und den Privatbahnen nun mehrere Massnahmen. Am Donnerstag wurde ein Bericht dazu veröffentlicht. Kurz gesagt, sollen die Lebensdauer der Infrastruktur verlängert und der finanzielle Mehrbedarf begrenzt werden. «Wir müssen beispielsweise Anreize setzen, damit das bestehende Rollmaterial verbessert wird», sagte BAV-Direktor Peter Füglistaler vor den Medien in Ittigen BE. Mittelfristig müssten auch Geschwindigkeitsreduktionen von Güterzügen und bei Fahrten über Weichenbereiche vor Bahnhöfen überprüft werden. Auf lange Zeit könnten zudem neue Linienkonzepte berücksichtigt werden. «Denkbar wären etwa Pendlerzüge, die nur zwischen zwei grossen Städten verkehren», sagte Füglistaler. Diese Züge würden beispielsweise weniger Weichen benötigen. Der Bericht des BAV geht nicht auf finanzielle Folgen ein. Er soll weitere Diskussionen anregen.
SBB hatte oft einiges nicht im Griff
Konkreter wurde Füglistaler bei den Vorschlägen für die Bahnbetreiber: Verbesserungspotenzial gebe es insbesondere bei der Zustandserfassung der Fahrbahn oder bei den Abnahmeprozessen nach Bauarbeiten. Weiter müsse man die Lehren ziehen aus alten Fehlern. Klare Worte richtete Füglistaler an die Adresse der SBB. Auf die Frage eines Journalisten, ob die SBB das Infrastrukturproblem zu gewissen Zeiten in der Vergangenheit nicht im Griff gehabt haben, sagte er: «Das ist so.» Auch die finanziellen Forderungen der Bundesbahnen gehen dem BAV-Direktor zu weit: «Jede Eingabe der SBB ist 20 Prozent zu hoch.» Er bestreite den Nachholbedarf zwar nicht, jedoch brauche es dafür nicht so viel Geld. «Unsere Offerten sind sehr grosszügig und garantieren einen guten Zustand der Eisenbahn-Fahrbahn.» Dies sehen die SBB freilich anders. Gemäss einem Bericht des Ingenieurbüros Ernst Basler Partner, den die SBB den Zeitungen «Tages-Anzeiger» und «Der Bund» zur Verfügung gestellt haben, soll der Mittelbedarf für den Unterhalt ab 2021 nochmals «um rund 20 Prozent pro Jahr zunehmen». Die Kosten allein für Wartung und Erneuerung werden für die Periode 2021-2024 um 1,2 Milliarden Franken aufschlagen.
Das Ringen um Bundesgelder geht weiter
Was die Vergangenheit betrifft, geben die SBB aber Fehler zu: «Nach der Divisionalisierung der SBB im Jahr 1999 gab es anfangs zu wenig Absprachen zwischen Infrastruktur, Personen- und Güterverkehr.» Nun versuche das Unternehmen, die Fehler auszumerzen. Ab 2017 werden die SBB nach eigenen Angaben den vorbeugenden Unterhalt weiter stärken. Die eigene Effizienz haben die SBB seit dem Jahr 2010 bereits um rund 500 Millionen Franken gesteigert. Für die Zukunft hat sie das Programm «RailFit20/30» lanciert, mit dem sie die Kosten in allen Bereichen senken will. Geplant sind etwa vereinfachte Abläufe, gebündelte Bauarbeiten, länger dauernde Streckensperrungen oder weniger Tätigkeiten, die keinen Kundennutzen bringen. Das Ringen um Bundesgelder wird aber weitergehen. Das weiss auch BAV-Direktor Füglistaler. Sein Bundesamt sehe eine andere finanzielle Dimension als die SBB, sagte er – um anschliessend anzufügen: «Wir werden uns aber wie immer in einer Schnittmenge finden.»
T.N.