Nach Ansicht des Hauseigentümerverbands ist es heute zu schwierig, Mietzinsaufschläge durchzusetzen. Der Bundesrat soll dies nun rechtlich erleichtern
Zieht der Bewohner aus, wird die Wohnung teurer: So lautet heute in den grossen Schweizer Städten das quasi eherne Grundgesetz, nach dem sich Mieterwechsel abspielen. Denn in dieser Situation hat der Eigentümer das Recht, den Mietzins auf das «orts- und quartierübliche» Niveau anzuheben. Kostete die Dreizimmerwohnung bisher 1500 Franken, während für benachbarte gleichwertige Wohnungen über 2000 Franken verlangt wurden, muss der Nachmieter also mit einem entsprechenden Aufschlag rechnen. Die «Orts- und Quartierüblichkeit» als anerkannte Messlatte für Zinserhöhungen wird in Mieterschutzkreisen daher oft als Ärgernis betrachtet. Nun liegt die Beweispflicht in der Regel zwar beim Mieter, wenn er den Anfangszins als missbräuchlich anfechte. Höchst beunruhigt ist man in Hauseigentümerkreisen allerdings über ein Bundesgerichtsurteil von letztem Dezember. Gemäss diesem Richterspruch muss in bestimmten Fällen neu der Vermieter nachweisen, dass die Erhöhung rechtens erfolgt. Entscheidend ist hier nicht zuletzt das Ausmass des Aufpreises. Im fraglichen Fall ging es um eine Wohnung im Kanton Waadt, die bei einem Mieterwechsel um 43 Prozent aufschlug. Da der Vermieter die Ortsüblichkeit nicht beweisen konnte, durfte er vom neuen Mieter nicht mehr verlangen als von dessen Vorgänger. Weniger bekannt ist, dass auch die Hauseigentümer mit der heutigen Situation nicht zufrieden sind. Ihre grosse Sorge betrifft jene Streitfälle, in denen Mieter ihren Mietzins gerichtlich anfechten. Die Gerichte würden «übertriebene, praxisferne Anforderungen» an den Nachweis der Ortsüblichkeit stellen, sagt Hans Egloff, Präsident des Hauseigentümerverbands Schweiz (HEV). Die beweispflichtige Partei müsse den Richtern genügend Wohnungen präsentieren, die bezüglich Lage, Grösse, Ausstattung, Zustand und Bauperiode mit dem eigenen Objekt verglichen werden könnten. Diese Angaben seien im verlangten Detaillierungsgrad kaum mit vernünftigem Aufwand zu beschaffen. HEV-Chef Egloff, der für die Zürcher SVP im Nationalrat sitzt, eilt nun seiner Klientel politisch zu Hilfe. Vor einer Woche reichte er eine Motion ein, die vom Bundesrat eine Anpassung der wohnrechtlichen Grundlagen verlangt. Der Nachweis der Orts- und Quartierüblichkeit solle «praktikabel» gemacht werden, heisst es in dem von FDP-, CVP- und BDP-Nationalräten mitunterzeichneten Vorstoss. Bei den Mieterschützern hat man für dieses Ansinnen nicht das geringste Verständnis. «Das ist geradezu schamlos», sagt Anita Thanei, Präsidentin des Deutschschweizer Mieterverbands. In den Städten habe eine regelrechte Mietzinsexplosion stattgefunden; angebracht seien «flankierende Massnahmen» zugunsten der Mieter.
Anforderung an die Regierung
Konkret wird die Regierung dazu aufgefordert, die Kriterien für vergleichbare Bauten zu vereinfachen. So sollen beispielsweise die Bauperioden grosszügiger definiert werden, die eine Gegenüberstellung der Wohnobjekte erlauben. Das Ziel aller vorgeschlagenen technischen Korrekturen ist klar: eine einfachere Durchsetzung höherer Mieten vor Gericht. Die Orts- und Quartierüblichkeit sei nicht zu vereinfachen, sondern abzuschaffen und durch einen gerechteren Massstab zu ersetzen, findet Thanei. Ihrer Beobachtung nach erhöhen die Vermieter die Anfangszinsen nämlich aufgrund der vorteilhaften Marktsituation; das ortsübliche Niveau sei ihnen kaum je bekannt. «Und wenn sie sich schon darauf berufen wollen, dann sollen sie vor Gericht künftig die alleinige Beweislast tragen.» Zu Streitfällen komme es im Übrigen vor allem, wenn der massgebliche Referenzzinssatz des Bundes sinke, der Vermieter diese Senkung aber nicht an den Mieter weitergebe. Die Wohnungs- und Mietpolitik könnte bald auch das Stimmvolk beschäftigen. Die Mieterverbände diskutieren derzeit mehrere Initiativprojekte. Verschiedene mögliche Inhalte werden erwogen: die Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus, ein besserer Schutz vor Kündigungen und ein Verbot von börsenkotierten Immobilienfonds und Immobilienderivaten (die für die Mietverteuerung mitverantwortlich gemacht werden). Über ein bereinigtes Projekt will man im November entscheiden.
Vorerst sind jetzt aber die Vermieter am Zug. Egloffs Vorstoss dürfte gute Chancen haben, da das Parlament in der Regel hauseigentümerfreundlich entscheidet.