Wer schon einmal eine Autobahnvignette von der Windschutzscheibe abgekratzt hat, dürfte Sympathien für das Anliegen haben: Die Verkehrskommission des Nationalrats möchte die farbigen Aufkleber durch eine elektronische Vignette ersetzen
Neu könnten die Autobahngebühren online bezahlt und Sünder mittels automatischer Nummernschilderfassung aufgespürt werden. Das Vorhaben erhält nun Auftrieb. Der Bundesrat hat am Mittwoch entschieden, ein entsprechendes Postulat der Verkehrskommission zu unterstützen. Der Systemwechsel brächte gewisse Vorteile mit sich. Die Nutzer könnten die Vignette künftig online kaufen; das Anbringen und Entfernen des Aufklebers entfiele. Die Polizei könnte die Einhaltung der Vignettenpflicht besser kontrollieren und automatisiert Bussen an die Sünder versenden. Heute ist die Kontrolle der Vignette nur in Stichproben auf Autobahnraststätten oder bei Autobahneinfahrten oder Autobahnausfahrten möglich. Anstelle wie heute für ein ganzes Kalenderjahr könnte die E-Vignette auch für kürzere Zeiträume oder allenfalls auch nur einzelne Regionen gültig sein. «Die elektronische Vignette würde ein flexibleres Tarifsystem erlauben», sagt Olivier Français. Der Waadtländer FDP-Nationalrat hat das Postulat in die Verkehrskommission eingebracht.
Idee der E – Vignette ist nicht neu
Der Bundesrat liess die Machbarkeit und die politische Akzeptanz der Umstellung auf ein elektronisches System bereits im Vorfeld der geplanten Erhöhung der Autobahngebühren von 40 auf 100 Franken abklären. Die Experten des Bundes schätzten, dass der Aufbau des neuen Systems rund 35 Millionen Franken kosten würde, die E-Vignette gleichzeitig aber pro Jahr um 35 Millionen Franken höhere Nettoeinnahmen generieren würde. Trotz mehrheitlich positiver Rückmeldungen in der Vernehmlassung entschied sich der Bundesrat aber dafür, die Einführung der E-Vignette nicht mit der Gebührenerhöhung zu verknüpfen, um Letztere nicht durch Verzögerungen beim Systemwechsel zu gefährden. Bekanntlich kam es aber anders: Das Volk lehnte die Gebührenerhöhung mit 60 Prozent Nein-Stimmen deutlich ab. Dadurch kamen auch die Bestrebungen zur Einführung der E-Vignette zum Erliegen. Das Postulat der Verkehrskommission fordert nun vom Bundesrat zunächst nur, Kosten, Kontrollmöglichkeiten und mögliche Tarifstrukturen abzuklären. Das Vorhaben wird im Parlament zudem nicht unumstritten sein.
Nur die SVP wittert wie immer eine Gefahr dabei
Die SVP-Vertreter haben das Postulat bereits in der Verkehrskommission bekämpft und werden ihre Meinung nicht ändern. «Die heutige Vignette ist absolut tauglich», sagt Ulrich Giezendanner. Der Aargauer Speditionsunternehmer und Verkehrspolitiker äussert dieselbe Befürchtung wie seine Parteikollegen: «Schlussendlich geht es bei der E-Vignette darum, eine Basis für ein Roadpricing zu schaffen.» Beim Roadpricing bezahlen die Nutzer von Strassen im Unterschied zur Vignette einen nutzungsabhängigen Preis. Tatsächlich könnte ein elektronisches System bei entsprechender Planung sowohl für die E-Vignette wie auch für die Erhebung eines Roadpricing eingesetzt werden. Letzteres könnte auf Autobahnen aber nicht ohne Volksentscheid eingeführt werden: Eine Verfassungsänderung wäre zwar nicht vonnöten, wohl aber eine referendumsfähige Gesetzesänderung. Bereits eingeführt hat eine E-Vignette Ungarn: Über eine Internetseite lässt sich eine Vignette entweder für 10 Tage, einen Monat oder ein Jahr und entweder für das ganze Land oder nur für eine Region kaufen. Die Jahresgebühr für einen normalen PW kostet umgerechnet 135 Franken.