Neue Bezeichnungen für Titel sollen die Berufslehre im internationalen Wettbewerb stärken
Es kommt nicht oft vor, dass sich Sozialdemokraten und der Gewerbeverband gemeinsam für ein Anliegen im Parlament starkmachen. Von SP-Nationalrat Matthias Aebischer stammt die Motion, die moderne Titelnamen für Abschlüsse der höheren Berufsbildung fordert. Der Bundesrat wird beauftragt, die Abschlüsse der höheren Berufsbildung im Berufsbildungsgesetz aufzuwerten. Tatkräftige Unterstützung erhielt der Vorstoss vom Gewerbeverband, der mit den neuen Namen die Attraktivität der Berufslehre gesteigert sieht, weil die Abschlüsse dank englischen Versionen richtig eingeordnet werden können. Als Beispiele für moderne Bezeichnungen von Titeln nannte Aebischer «Berufs-Bachelor», «Bachelor HF» oder «Professional Master». Er wolle, dass «die top ausgebildeten Schweizer Berufsleute gleich lange Spiesse haben wie die oft schlechter ausgebildeten Berufsfachleute im Ausland». Statt auf die in der Motion geforderten neuen Titelnamen setzt Schneider-Ammann auf den geplanten nationalen Qualifikationsrahmen für Abschlüsse der Berufsbildung und auf Diplomzusätze für Abschlüsse der höheren Berufsbildung. Diese stellen die internationale Vergleichbarkeit sicher.
Die entsprechende Verordnung soll nach der Sommerpause in den Bundesrat und voraussichtlich noch im laufenden Jahr in Kraft treten. Ebenfalls zur Diskussion stehen zusätzliche Bundesmittel zur Unterstützung von Vorbereitungskursen für höhere Berufsprüfungen. Der Bundesrat lehnt die Motion ab. Es stehe ausser Frage, dass die höhere Berufsbildung gestärkt werden müsse, sagte Bildungsminister Johann Schneider-Ammann am Donnerstag im Nationalrat. Eine Vermischung der Titelstrukturen oder eine Akademisierung der Berufsbildung sei jedoch der falsche Weg. Eine Analyse habe ergeben, dass der erhoffte Prestigegewinn für die höhere Berufsbildung fraglich sei. Es bestehe vielmehr das Risiko, dass von Bachelors zweiter Klasse gesprochen würde. Bachelor und Master sind akademische Grade eines Studiums, die von einer staatlichen oder anerkannten Hochschule vergeben werden. Laut Schneider-Ammann wünscht die Mehrheit der für eine Studie befragten Unternehmen keine solchen Titelnamen, da sie im Verdacht der Akademisierung stünden. Christian Wasserfallen (fdp., Bern) wies darauf hin, dass gerade Vertreter von international tätigen Branchen gegen die Einführung dieser Titel seien. Der Fachverband für Informationstechnologie-Ausbildung, deren Vorstand Wasserfallen angehört, wehre sich gegen die neuen Titel. Trotz den Einwänden des Bundesrats stimmte die grosse Kammer der Motion mit 93 zu 80 Stimmen bei 16 Enthaltungen zu. Sie geht nun in den Ständerat.
Der Kanton Zug hat eine andere Taktik
Als Standort von zahlreichen internationalen Unternehmen führt Zug eine Lehre ganz auf Englisch ein. Der Kanton wird bei diesem Projekt unterstützt vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation. Die kaufmännische Grundbildung mit einem speziellen Business-Englisch-Zusatzmodul gibt es seit fünf Jahren. Bereits machen 15 international tätige Unternehmen mit. Jetzt geht Zug noch wesentlich weiter. In Zukunft sollen alle Jugendliche, also auch Kinder von Ausländern, in Zug im Bereich der Berufsbildung einen motivierenden und international anerkannten Weg finden. Global tätige Firmen sollen mehr Mitarbeitende und Führungskräfte mit Aus- und Weiterbildungen aus dem schweizerischen System einstellen. Weiter wird angestrebt, dass diese Unternehmen und ihre Chefs sich aktiv für das duale Bildungssystem einsetzen. Der Kanton setzt sich mit diesem Projekt, das die Lehre und die Berufsbildung allgemein im internationalen Umfeld positionieren soll, ein hohes Ziel. Dessen ist sich Beat Schuler, Leiter des Amts für Berufsbildung, bewusst. «Der Wert der dualen Berufsbildung ist noch immer zu wenig anerkannt. Die Personalverantwortlichen internationaler Unternehmen wissen gar nicht, wie viel ihnen Lehrlinge bringen», sagt Schuler. Damit Firmen in Zukunft Fachkräfte selber ausbilden und nicht von den Hochschulen rekrutieren, soll eine Berufslehre geschaffen werden, bei der die Sprache im Unterricht und in der Firma grösstenteils Englisch ist. Auch die Abschlussprüfung wird nicht in einer Landessprache, sondern in Englisch geschrieben. Schuler könnte sich vorstellen, dass beispielsweise Informatiker so ausgebildet werden. Beim Bund, der die neue Lehre genehmigen muss, stösst die Zuger Regierung auf offene Ohren. Aufgrund der hohen Anzahl international tätiger Unternehmen verfüge Zug über optimale Voraussetzungen für ein solches Pilotprojekt, sagt Josef Widmer, stellvertretender Direktor des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI).
Weitere interessierte Kantone könnten von den gemachten Erfahrungen profitieren und bei einer Implementierung solcher Massnahmen schnell mit ins Boot geholt werden. Neben der Internationalität sind für Zug die Kleinheit des Kantons und die einfachen Strukturen ein Vorteil. Das Amt für Berufsbildung will denn auch bei den infrage kommenden Firmen direkt vorsprechen. «Wir wollen die Chefetage erreichen und dort den Business-Aspekt bekannt machen», erklärt Schuler. Die beteiligten Unternehmen müssten dazu nicht zu eigentlichen Lehrbetrieben werden, sondern in erster Linie Praxisplätze zur Verfügung stellen. Die administrativen Tätigkeiten werden vom Bildungsverbund Zug übernommen. Der Bund setzt sich auf verschiedenen Ebenen dafür ein, dass die Stärken der dualen Berufsbildung international besser wahrgenommen werden. Eine verbesserte Anerkennung der Abschlüsse ist ein Ziel, eine höhere Mobilität der Fachkräfte ist ein anderes. Widmer stellt keine Anzeichen dafür fest, dass sich internationale Firmen in der Schweiz aus der Lehrlingsausbildung verabschieden wollen. «Probleme erkennen wir eher in Bezug auf die höhere Berufsbildung, deren Abschlüsse in der Schweiz einen hohen arbeitsmarktlichen Stellenwert haben, aber von vielen ausländischen CEO und Personalchefs nicht verstanden werden», erklärt der stellvertretende SBFI-Direktor. Angesichts der steigenden Jugendarbeitslosigkeit in zahlreichen EU-Ländern, in denen nicht dual ausgebildet wird, hat das Interesse am schweizerischen Ausbildungssystem in letzter Zeit zugenommen. Widmer will das gestiegene internationale Renommee nutzen und die Kommunikationsmassnahmen gegenüber international tätigen Unternehmen noch verstärken. Projekte, wie sie im Kanton Zug, aber auch in den Grenzkantonen sowie in Luzern gestartet wurden, tragen dazu bei, dieses Ziel zu erreichen.