24 Prozent der Schweizer mit Migrationshintergrund entschieden sich bei den letzten Nationalratswahlen für die SP: Der reale Wähleranteil der Partei liegt nur bei 18,7 Prozent
Auf dem zweiten Platz landete aber bereits die SVP. Hätten nur Schweizerinnen und Schweizer mit ausländischen Wurzeln gewählt, hätte die SP die Nationalratswahlen im Oktober 2011 gewonnen, wie eine Studie des Schweizer Politologen Oliver Strijbis zeigt. Diese erscheint in der nächsten Ausgabe der «Swiss Political Science Review» voraussichtlich im Dezember und wurde vorab von der «Schweiz am Sonntag» publik gemacht. Tatsächlich landeten die Sozialdemokraten bei den Nationalratswahlen 2011 aber mit einem Wähleranteil von 18,7 Prozent auf dem zweiten Platz. Dabei erreichte die SP bei den Schweizern ohne Migrationshintergrund einen Wähleranteil von 17 Prozent. Stärkste Partei bei den Wahlen wurde die SVP mit einem Wähleranteil von 26,6 Prozent. Dies verdankt die Partei vor allem den 28 Prozent Schweizern ohne Migrationshintergrund, die die Volkspartei wählten. Bei jenen mit Migrationshintergrund wählten nur 22 Prozent die SVP. Besonders tief war der Anteil bei Wählern, bei denen Vater und Mutter Einwanderer waren.
Die Rechten Secondos
Damit entkräftet die Studie das weit verbreitete Vorurteil, dass Schweizer mit Migrationshintergrund RECHTERwählen würden als der Rest. «Das ist ein Mythos», sagte Studienautor Strijbis der «Schweiz am Sonntag». Insgesamt wählten die Schweizer mit ausländischen Wurzeln aber im Vergleich mit anderen Ländern Europas weniger links. Das habe mit den hohen Hürden für den Schweizer Pass zu tun. «Den Pass erhalten jene, die sich kulturell wenig von den Schweizern ohne Migrationshintergrund unterscheiden. Sie wählen entsprechend auch ähnlich.» Rund ein Fünftel der Wählerinnen und Wähler in der Schweiz haben einen Migrationshintergrund. In der Studie wurde sowohl die erste als auch die zweite Generation untersucht. Dabei stellt sich heraus, dass es nur leichte Verschiebungen gibt zwischen den eingebürgerten Eltern und ihren Nachkommen, den Secondos. Auch spielten Einkommen und Ausbildung beim Wahlverhalten eine Rolle. Je höher die Ausbildung, desto eher war eine Tendenz hin zu Mitte-Parteien festzustellen und nicht, wie bei Wählern ohne Migrationshintergrund, eher hin zu Linksparteien.
Partei, die die Rechte und Interessen von Einwanderern verteidigt
Gemäss der Studie spielt beim Wahlverhalten aber eine weit wichtigere ROLLE, woher die Secondos oder ihre Eltern ursprünglich kamen. Am höchsten ist der Anteil SP-Wähler bei jenen, die sich aufgrund ihrer Herkunft diskriminiert fühlen oder deren Volksgruppe Ziel von ausländerfeindlichen Kampagnen wurde. Dazu gehörten Menschen mit Wurzeln in der Türkei, den Staaten des ehemaligen Jugoslawiens, aus muslimischen Ländern sowie Schwarzafrikaner. Hier hat die SP den grössten Zuspruch, weil diese Menschen die Partei als jene erkennen, die die Rechte und Interessen von Einwanderern verteidigt. Auch ehemalige Gastarbeiter aus Südeuropa und ihre Kinder wählen eher links als ein «Urschweizer», allerdings weniger häufig als die erste Gruppe. Obwohl die Länder, aus denen die ehemaligen Gastarbeiter stammen – Italien, Spanien, Portugal – katholisch und christdemokratisch geprägt sind, kann in der Schweiz die CVP davon gemäss Studie nicht profitieren. Menschen mit Wurzeln in Staaten des ehemaligen Ostblocks wiederum wählen mehrheitlich bürgerlich bis Rechts. Dies gilt vor allem, wenn sie oder ihre Eltern vor dem Fall der Mauer 1989 zum Beispiel aus Tschechien, der Slowakei, Ungarn oder Polen eingewandert sind. Aus «antikommunistischen Gefühlen» misstrauten diese Menschen auch sozialdemokratischen Parteien in Westeuropa, schreibt Strijbis in seinem Artikel für die «Swiss Political Science Review». Bei den anderen Parteien waren die Unterschiede bei den Wähleranteilen weniger stark als bei SP und SVP. Bei der FDP war der Wähleranteil bei beiden Gruppen etwa gleich. Die CVP und vor allem die BDP lagen höher in der Gunst der Schweizer ohne Migrationshintergrund als bei jenen mit. Umgekehrt war das Verhältnis bei den Grünen und der GLP.