Der Rücktritt vom aktuellen Zürcher Stadtrat Martin Vollenwyder (FDP) macht eine rasche Ersatzwahl nötig
Wer Martin Vollenwyder (FDP) im Zürcher Stadtrat ersetzen wird, könnte am 3. März 2013 klar sein. An diesem Datum findet die Ersatzwahl statt, wie der Stadtrat am Mittwoch mitteilte. Zu einem allfälligen zweiten Wahlgang käme es am 21. April. Die Ersatzwahl für den Rest der Amtsdauer 2010-2014 ist nötig, weil Vollenwyder am Montag seinen Rücktritt per Mitte Mai 2013 angekündigt hat. Seit seiner Wahl 2002 leitet er das Finanzdepartement. Als Nachfolger schlägt die FDP-Findungskommission den ehemaligen Gemeinde- und Kantonsrat Marco Camin vor. Die FDP Frauen könnten sich auch für Kantonsrätin Carmen Walker Späh erwärmen. Anspruch auf den Sitz erheben wird auf jeden Fall die GLP, die SVP hat sich noch nicht entschieden. Am 3. März haben die Stimmberechtigten zudem über drei Vorlagen zu befinden. Abgestimmt wird über einen Kredit von 68 Millionen Franken für den Bau einer zentralen Klärschlammverwertungsanlage auf dem Areal Werdhölzli. Ebenfalls zur Abstimmung gelangt eine Änderung der Gemeindeordnung. Dabei geht es um die Neuorganisation zur Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB). Ferner wird über die Volksinitiative “Bezahlbar und ökologisch wohnen!” entschieden. Marco Camin, Daniel Hodel und Richard Wolff zeichnen sich durch verschiedene politische Profile aus. Innerhalb der Geschäftsleitung waren sowohl Stimmen vertreten, die den Anspruch der Bürgerlichen auf einen dritten Sitz anerkennen, als auch Stimmen, die für eine Stärkung der linken Kräfte im Stadtrat
plädieren. Die GL der SP Stadt Zürich ist daher der Ansicht, dass sich eine Empfehlung für einen der drei Kandidaten aus sozialdemokratischer Sicht nicht aufdrängt. Sie empfiehlt den Delegierten mehrheitlich für die Stadtrats-Ersatzwahlen vom 3. März die Stimmfreigabe zu beschliessen.
Bereits entschieden hat als einzige Partei die SVP, die sich hinter die Kandidatur von Marco Camin stellt. Die effektivste Hilfeleistung der SVP war natürlich der Verzicht auf eine eigene Kandidatur. Viel mehr Supportmassnahmen wird es nicht mehr geben – ausser, dass einzelne SVP-Exponenten dem Unterstützungskomitee von Marco Camin beitreten werden.
Von entscheidender Bedeutung dürfte sein, was SP und Grüne beschliessen. Die SP erreichte bei den letzten Wahlen einen Anteil von 30,3 Prozent und konnte ihre vier Sitze im neunköpfigen Stadtrat halten. Die Grünen kamen auf 11,4 Prozent und holten sich einen zweiten Stadtratssitz. Auf eigene Kandidaturen haben beide Parteien wohlweislich verzichtet, weil sie heute schon mehr Sitze haben, als ihnen vom Wähleranteil her zustehen würden. Umso gespannter darf man sein, ob sie eine klare Empfehlung für einen der drei Kandidaten abgeben werden.
Zuversichtlich sind alle drei, doch stehen einer direkten Unterstützung auch einige Hindernisse im Weg. Den Linken und Grünen stünde an sich Richard Wolff politisch am nächsten. Die AL hat sich aber in letzter Zeit weder bei der SP noch bei der GP Freunde gemacht. Zuletzt sorgten verschiedene Sticheleien von AL-Vertretern während der Budgetdebatte für neue innerlinke Verstimmungen. Auch dass sich Wolff dezidiert gegen den Erweiterungsbau fürs Kunsthaus aussprach, ärgerte verschiedene SP-Exponenten, die sich – angeführt von Stadtpräsidentin Corine Mauch – für den Prestigebau starkgemacht hatten. Auch der Grünliberale Daniel Hodel dürfte es bei Linken und Grünen schwer haben – hauptsächlich wegen der Finanzpolitik der GLP. Spätestens seit dem Budgetstreit 2011, bei dem sich die Grünliberalen zusammen mit den Bürgerlichen für eine radikale Budgetkürzung eingesetzt hatten, werden sie von der Ratslinken als «Obersparer» tituliert.
Eher noch scheint der FDP-Kandidat Marco Camin Sympathien auf linker Seite zu geniessen. Er darf immerhin auf einige soziale und ökologische Aktivitäten verweisen und gilt bei manchen ehemaligen Kantonsratskollegen als einer, mit dem man gut zusammenarbeiten kann. So hat sich kürzlich der Nationalrat und frühere SP-Kantonalpräsident Martin Naef öffentlich für Camin ausgesprochen.
Lesen Sie demnächst in La Pagina Interviews mit den Kandidaten Marco Camin und Richard Wolff.