Der Gegenvorschlag zur Stipendieninitiative des VSS erhitzt die Gemüter. Studenten fordern, dass der Bund die Stipendienfinanzierung nicht den Kantonen überlässt
Die Vernehmlassungsfrist zum Gegenvorschlag ist nun abgelaufen. Der Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS) nahm dies zum Anlass, um sich an einer Medienkonferenz in Bern über die Vorlage des Bundesrates zu äussern. Man begrüsse, dass der Bundesrat den Bedarf einer landesweiten Harmonisierung des Stipendienwesens erkannt habe, hiess es da. Die Gewerkschaftsdachverbände und die SP unterstützen das ursprüngliche Bestreben. Manche Kantone, CVP und BDP schlagen sich auf die Seite des Bundesrats. FDP und SVP lehnen beides ab. Die SVP konnte weder mit der Initiative etwas anfangen, noch sagt ihr der Gegenvorschlag zu. Ihres Erachtens sind im Schweizer Stipendienwesen «keine Missstände zu erkennen». Auch die FDP beurteilt beide Vorlagen kritisch und sieht die Lösung in Darlehen zur Unterstützung von finanzschwachen Studierenden. Allerdings trage der Bundesratsvorschlag zur Totalrevision des Ausbildungsbeitragsgesetzes «höchstens minimal» dazu bei, die Chancengleichheit im Bildungssektor für alle Studierenden zu gewährleisten. Doch möchte der VSS mit seiner Initiative ja genau erreichen, dass die Stipendienbeiträge auch weniger bevorteilten Studierenden einen «minimalen Lebensstandard» ermöglichen. Dass der Bundesrat zwar die Notwendigkeit zur Vereinheitlichung erkennt, die Finanzierung aber trotzdem mehrheitlich den Kantonen überlässt, kritisiert der Verband besonders. So sei der Anteil der Bundesbeiträge zwischen 1990 und 2011 von 40 auf 8 Prozent der Aufwendungen geschrumpft. Gleichzeitig schlägt der VSS vor, den Kreis der Stipendienbezüger auf der tertiären Bildungsstufe von heute 9 Prozent der 250’000 Studierenden auf 20 Prozent zu heben. Der minimale Höchstsatz müsse ausserdem 24’000 Franken betragen, und nicht wie vom Bundesrat veranschlagt 16’000 Franken. «Grosse Bedenken» hat die Studierendenschaft bezüglich der freien Wahl des Studienortes. Dass die Kantone lediglich dazu verpflichtet wären, den Studierenden jenen Ausbildungsbeitrag auszurichten, der beim Besuch der nächstgelegenen Bildungsanstalt anfiele, erschüttere die Wahlfreiheit in ihren Grundfesten. Eine schweizweite Harmonisierung des Stipendienwesens wollen aber letztlich beide.
Einige Kantone würden davon profitieren, andere wiederum nicht
Die Möglichkeit zur Stellungnahme nutzten auch einige Kantone, die von einer wichtigen Änderung zum Status quo betroffen wären. Künftig soll nämlich der Bund seine Stipendienbeiträge an die Kantone nicht mehr an den Einwohnerzahlen bemessen, sondern an den Stipendienausgaben der Kantone. So würde das Wallis doppelt so viel aus dem 25 Millionen Franken grossen Bundestopf erhalten, während sich Zürich mit der Hälfte zufriedengeben müsste. Der Zürcher Regierungsrat lehnt das neue Verteilermodell denn auch ab, da es «falsche Anreize» setze. Zudem fordert die Kantonsregierung eine Erhöhung der Bundesbeiträge. Alles in allem befürwortet sie aber den Gegenvorschlag. Für Graubünden würden sich die Mehreinnahmen auf rund 730’000 Franken belaufen. Die Bündner Regierung begrüsst denn auch den Gegenvorschlag und lobt, dass sich der Bundesrat dabei auf das Stipendienkonkordat der Kantone stützt. Dieses tritt am 1. März mit elf Mitgliedskantonen in Kraft. Auch nach Ansicht der Bündner Kantonsregierung soll sich der Bund aber stärker in der Ausbildungsförderung engagieren.
Den Gewerkschaftsdachverbänden SGB und Travailsuisse ist die Altersbeschränkung für Stipendienbezüger auf 35 Jahre ein Dorn im Auge. Angesichts der Notwendigkeit des «lebenslangen Lernens» sei es «nicht einsichtig», warum eine solche Alterslimite bestehen solle, schreibt Travailsuisse. Beide Dachverbände sehen daher im Gegenvorschlag keine «ernstzunehmende Alternative» zur Initiative.
Die SP teilte mit, sie unterstütze weiterhin die ursprüngliche Initiative, dem Gegenvorschlag stehe sie aber ebenfalls «eher zustimmend» gegenüber. Die BDP zeigte sich sehr angetan vom Gegenvorschlag. Jedoch stösst sie sich an der Alterslimitierung. Die CVP freut es, dass die Kantone die Entscheidungskompetenz bei der Vergabe der Ausbildungsbeiträge behalten sollen.