Das BAG will die Bemessungsbasis für Medikamentenpreise ändern – Profiteurin ist die Pharma-Branche. Steigen dadurch unsere Prämien?
Andreas Faller, Chefaufseher über die Krankenversicherung im Bundesamt für Gesundheit (BAG), stellte den Kassen- und Pharma-Branchenverbänden am Freitag brisante Post zu. Bei der nächsten Preisüberprüfung soll der zur Festsetzung von Medikamentenpreisen übliche Auslandvergleich künftig auf einem um 7 Rappen höheren Euro-Wechselkurs beruhen. Möglich macht das eine Erhöhung der sogenannten Toleranzmarge. Bewilligt der Bundesrat die Änderung, rechnet das BAG ab April für 2012 neu mit einem Eurokurs von Fr. 1.30. Und dieser Zuschlag hat massive Folgen. Silvia Schütz, Sprecherin des Kassenverbandes Santésuisse, rechnet mit Mehrkosten bei den Medikamenten «von 100 Millionen Franken in der Grundversicherung». Dieser Betrag würde bei der alle drei Jahre durchgeführten Preisüberprüfung weniger eingespart werden, zu Lasten der Prämienzahler und Patienten. Mit demselben Zuschlag will das BAG neu auch bei der Zulassung von neuen Medikamenten rechnen. Das erhöhe die Medikamentenkosten um weitere Dutzende von Millionen Franken, so Silvia Schütz. «Deshalb lehnt Santésuisse die vorgeschlagene Verordnungsänderung ab.» Kassensprecherin Silvia Schütz nennt die geplante Verordnungsänderung bereits «Lex pro Pharma». Man müsse sich fragen, ob Andreas Faller «damit seine Situation als möglicher Regierungsratskandidat in Basel-Stadt verbessern will».
Dort sitzt bekanntlich die Pharma-Industrie. Vom BAG war gestern niemand für eine Stellungnahme erreichbar. Sobald Konsumenten und Patienten von Wechselkursgewinnen richtig profitieren könnten, würde die Berechnungsformel zugunsten der Hersteller geändert: «Das ist eine Frechheit.» Die Konsumentenorganisationen fragte man gar nicht erst – sie werden bei der Verordnungsänderung nicht angehört. «Das zeigt einmal mehr, wie die Machtverhältnisse liegen», sagt Prisca Birrer-Heimo, Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS). «Die Lobby der Pharma-Industrie kann ihre Politik diktieren.» Jede Abweichung vom Prinzip der Weitergabe von Wechselkursvorteilen an die Konsumenten sei falsch, sagt Preisüberwacher Stefan Meierhans. «Es ist kaum vorstellbar, dass sich eine solche Massnahme auf dem Buckel der Prämienzahler durchsetzen lässt.» Der Pharma-Branche reicht das geplante BAG-Geschenk noch nicht. Interpharma-Generalsekretär Thomas Cueni beschwert sich, man wolle die wichtigste Schweizer Exportbranche abstrafen, die schon unter dem starken Franken leide. Statt Augenmass zu zeigen, wolle man «aufgrund eines spekulativ überhöhten Frankenkurses» die Medikamentenpreise weiter drücken; laut Cueni müsste man nicht einen Umrechnungskurs von Fr. 1.30, sondern von Fr. 1.36 bis Fr. 1.37 zugrunde legen.
Tijana Nikolic