Lieber fett in den Ausgang und neue Schuhe kaufen als gemahnte Rechnungen bezahlen. Dagegen muss etwas unternommen werden
Daniela hat das KV gemacht, verdient 4000 Franken und lebt noch zu Hause. Abgeben muss sie nichts. Umso besser: So bleibt ihr mehr für Kleider, Ausgang, Ferien mit ihren Kolleginnen und fürs Fitness-Abo. Krankenkassenrechnungen bleiben da schon mal liegen und an Rückstellungen für die Steuern denkt sie noch nicht. Im Notfall stecken ihr ihre Eltern oder ihre Gotte ja eh ein paar Hundert Franken zu. Ein Viertel der jungen Leute zwischen 16 und 25 Jahren lebt wie Daniela über seine Verhältnisse. Ein Teil von ihnen tappt früher oder später in die Schuldenfalle. «Die Wertvorstellung, dass man für etwas bezahlt, was man bezieht, ist nicht mehr selbstverständlich», sagt Andrea Fuchs von der Schuldenberatung Aargau/Solothurn. «Sie haben das Gefühl, dass sie sich alles leisten können. Reicht das Geld nicht, leihen sie Geld bei ihren Eltern oder Kollegen aus.» Heute leben wir im «Pump-Kapitalismus»: «Es ist alles viel unverbindlicher. Bestellt man etwas bei einer grossen Firma, hat man auch kein schlechtes Gewissen, wenn man die Rechnung nicht bezahlt.» Heutzutage seien die Leute mit so vielen Sachen gleichzeitig beschäftigt: «Sie müssen sich um ihren Job kümmern, Mails checken, mit Kollegen per WhatsApp in Kontakt bleiben. Das hat für viele eine höhere Priorität, als rechtzeitig Rechnungen zu bezahlen. Besonders grosse Rechnungen wie Krankenkasse oder Steuern vergisst man lieber, als sie zu bezahlen.»
Politik sagt dazu Kampf an
Diesem Phänomen will die Politik nun den Kampf ansagen. Gleich vier Initiativen zur Schuldenprävention werden am Donnerstag im Ständerat behandelt. Zur Bekämpfung der Verschuldung von jungen Erwachsenen sollen strengere Vorschriften gelten, fordert der Neuenburger SP-Nationalrat Jacques-André Maire. Die Kreditkarte unter 25-Jähriger soll automatisch blockiert werden, wenn der Kontostand null beträgt. Seine Waadtländer Parteikollegin Josiane Aubert will, dass Werbung für Kleinkredite verboten werden soll. Auch die Kantone Basel-Landschaft und Genf kämpfen mit Standes-Initiativen gegen das Problem der Überschuldung. «Eine Bevölkerung, die auf Pump lebt, kann zu wirtschaftlichen Katastrophen führen», sagt Aubert. Der Staatshaushalt werde unnötig stark belastet, weil «zahlreiche Personen unter dem riesigen Druck ihres Schuldenbergs bei der Sozialhilfe» landeten. Präventionsfachfrau Fuchs begrüsst, dass die Politik nach Wegen gegen die Verschuldung sucht. Es brauche aber Anstrengungen von verschiedenen Seiten. Krankenkassen und Steuern müssten neue Wege gehen. In Schulen und Familien müsste mehr über reale Lebenskosten gesprochen werden. Auch plädiert Fuchs für einen Jugendlohn statt für Taschengeld: «Schon Kinder ab 12 Jahren können Geld für Kleider, Coiffeur, Handy und Velo einteilen. So lernen sie den Umgang mit Geld, bevor die Konsumwünsche steigen.» Oft beginnen die Probleme laut Fuchs dann, wenn die jungen Leute ausziehen und sie sich ihren Lebensstandard nicht mehr leisten können. «In dieser Phase sind junge Leute wenig erfahren und kreditwürdig. So kann eine Verschuldung entstehen, noch vor der Heirat und Familiengründung.» Cool sei, wer auf grossem Fuss lebe. «Es ist wichtig, dass Werte wie Sparsamkeit für uns wieder wichtiger werden als Profit und Konsum», sagt Fuchs.