Fast eine Milliarde Franken sollen künftig zusätzlich in die Sportförderung fliessen
Ueli Maurer ist nicht zu beneiden. Seine sportpolitischen Ausbaupläne müssen noch gehörig justiert werden, vor allem bezüglich der Kosten und der Gewichtung von Leistungs- und Breitensport. Sonst werden sie im Parlament kaum mehrheitsfähig werden.
Der gesellschaftliche Imperativ ist unerbittlich: Wer heutzutage keinen Sport treibt, muss sich geradezu defizitär vorkommen. Fitness gilt als neues Heilsversprechen. Auf diesen Gedanken kam auch, wer Ende Mai Ueli Maurers Pressekonferenz verfolgte. Der bewegungsfreudige Bundesrat stellte ein umfassendes Konzept zur Sportförderung in der Schweiz vor und beteuerte dessen Notwendigkeit. Sport verbessere unter anderem die Leistungsfähigkeit, reduziere die Krankheitsanfälligkeit, sei eine Lebensschule für Heranwachsende und trage zur sozialen Kohäsion bei. Das Ziel ist denn auch: «Mehr Sport für alle.»
Der Freisinn wehrt sich dagegen
Die präsentierte «Gesamtschau Sportförderung», die sich der Weiterentwicklung des Breiten- und des Leistungssports sowie der Infrastrukturen widmet, umfasst 131 Seiten. Noch gewaltiger ist der Kostenrahmen, der darin skizziert wird: 935 Millionen Franken sollen in den Jahren 2018 bis 2029 zusätzlich fliessen. Angesichts der drohenden Schieflage der Bundesfinanzen ist dies eine gewagte Forderung des Magistraten aus den Reihen der selbsternannten Sparfüchse, der SVP. Dem Sportminister bläst denn auch von bürgerlicher Seite ein eisiger Wind entgegen, wie aus den Vernehmlassungsantworten zu entnehmen ist. Zwar loben selbst die SVP und die FDP – wie fast alle der rund 150 Parteien, Kantone, Verbände und Organisationen, die sich zu Maurers Plänen geäussert haben – die Standortbestimmung und beteuern, wie wichtig der Sport für die Gesellschaft sei. Doch sie üben vehement Kritik sowohl an der finanzpolitisch «unverhältnismässigen» Erhöhung der Ausgaben als auch an der zunehmenden Einflussnahme des Bundes. «Sport ist genauso wie Kultur, Familie oder Integration Privatsache», schreibt die SVP. Auch in der Sportpolitik brauche es eine Rückbesinnung auf Subsidiarität und Föderalismus statt Zentralismus. Der Freisinn wehrt sich ebenfalls gegen «mehr Bürokratie und staatlichen Zugriff» und fordert mehr Eigenverantwortung in Sachen Sport. Dezidiert Stellung gegen mehr öffentliche Gelder in der Sportförderung beziehen auch Economiesuisse und der Gewerbeverband. Für Letzteren ist das Finanzierungskonzept schlich inakzeptabel: Es würden weder Sparmassnahmen noch budgetneutrale Kompensationsmodelle vorgestellt. Zudem sei die Gesamtschau beseelt von einem «Willen zur Bevormundung». Die CVP hat ebenfalls den Ernst der Finanzlage erkannt und plädiert dafür, dass die Mehrausgaben für den Sport im Gesamtbudget des VBS kompensiert werden sollen. Am massiven Ausbau der Sportförderung möchte die Partei aber unbedingt festhalten.
Viel Liebe von Seiten der Sozialdemokraten
Auf viel Gegenliebe stossen Maurers Pläne dagegen bei den Sozialdemokraten. Der Sport sei in der Vergangenheit regelmässig von Kürzungen betroffen gewesen und solle vom Bund stärker gefördert werden. Zudem betont die SP die volkswirtschaftliche Bedeutung des Sports. Daran erinnern auch Interessenvertreter wie Tourismus Schweiz oder der Seilbahnverband, die gerade an einem Aufschwung des darbenden Wintersports ein vitales Interesse haben. Das in der «Gesamtschau» projektierte nationale Schneesportzentrum in Lenzerheide, das dem Spitzen- wie dem Breitensport dienen soll, ist jedoch stark umstritten. Ausser bei der SP, die sich sogar drei solche Zentren wünscht, dem Kanton Graubünden und den Tourismusverbänden schwindet der Rückhalt. Wegen der hohen Kosten für den Neubau und Unterhalt sprechen sich in der Vernehmlassung viele dafür aus, dass der Bund auf das Projekt verzichtet. Das verlangt notabene auch Swiss Olympic. Die mächtige Dachorganisation von 84 Sportverbänden fordert, dass das Geld besser gezielt in den Spitzensport investiert werden soll. Sonst verlören die Schweizer Athleten international künftig noch weiter an Terrain.
Tijana Nikolic