Beim Bundesamt für Polizei haben die Bundesangestellten im Durchschnitt 14,1 Tage – also fast drei Wochen – Ferien angespart. Vor vier Jahren waren es noch 10 Tage
Die Spitzenreiter beim Sammeln von Ferienguthaben sitzen im Aussendepartement: Sie hatten letztes Jahr 15,8 Ferientage auf dem Konto, die sie nicht bezogen hatten. Das Phänomen ist auch in der Privatwirtschaft bekannt: Der Verband Swissmem registriert zunehmend Anfragen von Mitarbeitern, die ihr angespartes Ferienguthaben zu Geld machen wollen – was im Arbeitsverhältnis nicht erlaubt ist. Wie viele Angestellte ihre Ferien aufsparen, dazu führt das Bundesamt für Statistik keine Zahlen. Das Problem der Ferienberge werde sich aber weiter verschärfen, sagt Thomas Geiser, emeritierter Arbeitsrechtsprofessor an der Universität St. Gallen.
Welche Interessen haben Firmen an Ferienbergen?
Ein Grund dafür sei, dass Unternehmen tendenziell mehr Ferien gewähren. Laut Bundesamt für Statistik hatte der durchschnittliche Angestellte 2017 5,1 Wochen Ferien. Offenbar nutzten nicht alle Angestellten die Guthaben aus oder sie verlieren den Überblick. Eine andere Erklärung sei, dass Firmen ein kurzfristiges Interesse an Ferienbergen hätten, weil sie so dieselbe Arbeit auf weniger Köpfe verteilen könnten.
Dies ist auch der Hauptgrund für Luca Cirigliano, Sekretär beim Gewerkschaftsbund. Er erhalte viele Meldungen von Angestellten, bei denen die Chefs Ferien zum gewünschten Zeitpunkt nicht akzeptieren. «Die Freiheit des Arbeitnehmers bei den Ferien und Arbeitszeiten mitzubestimmen, wird zunehmend aufgeweicht.»
Gewerkschaften kritisieren dieses Verhalten
Ein grosses Problem sei auch die Überzeit: «Ich kenne Personen, die ein paar Hundert Überstunden angehäuft haben, wobei der Chef verlangt, dass sie diese zuerst kompensieren – für eigentliche Ferien bleibt dann keine Zeit mehr.» Für die Gesundheit der Arbeitnehmenden sei dies verheerend: «Das Minimum von vier Wochen ist schon zu wenig. Es ist zentral, dass sich Angestellte immerhin in dieser Zeit erholen können.» Unternehmensberaterin Brigitte Kraus stellt fest, dass es Arbeitnehmer gibt, die gar nicht in die Ferien wollen. «Für Unternehmen ist das eine unangenehme Situation, niemand schickt seine Mitarbeiter gern in die Zwangsferien.» Möglicherweise gebe es Angestellte, die gar nicht wüssten, was sie in den Ferien anstellen sollen und deshalb ihr Guthaben anhäufen. Für sie ist klar: «Es ist Aufgabe eines Chefs, frühzeitig den Zeitpunkt der Ferien mit den Mitarbeitern zu planen.»
So rechtfertigen sich die Arbeitgeber
«Ferienguthaben verfallen erst nach fünf Jahren», betont Fredy Greuter, Sprecher des Arbeitgeberverbandes. Es könne in Einzelfällen vorkommen, dass der Arbeitgeber einen Ferienstopp oder Überstunden anordne, etwa wenn dringende Aufträge anstünden. Doch während fünf Jahren bleibe dem Arbeitnehmer genug Zeit, seine verschobenen Ferien einzulösen. «Es wäre stossend, wenn Ferien dauernd nicht bewilligt würden. Das ist jedoch nicht der Fall.» Indem der Arbeitgeber selbstverständlich mit Rücksicht auf die Arbeitnehmer den Zeitpunkt der Ferien bestimme, könne er auch für einen schrittweisen Abbau von aufgelaufenen Ferienguthaben sorgen. Wer freiwillig Ferien anhäuft, um einmal länger zu verreisen, dem empfiehlt der Verband Angestellte Schweiz unbezahlten Urlaub. «Vielleicht muss man auch noch Gleitzeitguthaben abbauen und kann so die Ferien etwas verlängern.»
Ferien anhäufen – Was ist erlaubt?
Laut Gesetz ist Ferientage anzuhäufen erlaubt, denn Ferienguthaben verjähren erst nach fünf Jahren. Zudem gilt: Beim Ferienbezug wird immer zuerst das älteste Guthaben abgebaut. In der Praxis führen aber die meisten Firmen Regelungen, um die Angestellten auch regelmässig in die Ferien zu schicken. Im Personalrecht des Kantons Zürich heisst es beispielsweise, der Übertrag von drei Wochen Ferien sei «auffällig», weshalb man das Gespräch mit dem Angestellten suchen solle.
Wie viel Ferien muss ich nehmen?
Einmal im Jahr zwei zusammenhängende Ferienwochen sind laut Gesetz obligatorisch. Während eines Arbeitsverhältnisses dürfen Ferien nicht ausbezahlt werden. «Der Erholungszweck der Ferien verlangt, dass diese in natura bezogen werden», heisst es beim Staatssekretariat für Wirtschaft. Bei Teilzeitarbeit mit unregelmässigen Pensen lasse es die Gerichtspraxis zu, dass eine Ferienentschädigung zusätzlich zum Lohn bezahlt wird.
Zeitpunkt der Ferien
Grundsätzlich kann der Chef den Zeitpunkt der Ferien bestimmen. Er muss dabei aber Rücksicht auf die Wünsche der Angestellten nehmen. Das Gesetz sieht vor, dass der Arbeitgeber drei Monate im Voraus über die Ferienplanung informieren muss.
Tijana Nikolic