Der Berner SVP-Gemeinderatskandidat Stefan Hofer vermietete schäbige Zimmer an Sozialhilfebezüger zu saftigen Preisen
Stefan Hofer, der vergangene Woche von der SVP als Stadtberner Gemeinderatskandidat nominiert wurde, betrieb einst das Bordell Kleopatra in Bargen bei Aarberg und verdiente noch bis 2014 sein Geld als Liegenschaftsbesitzer des Clubs. Die Miete, die er verlangte, bezeichnete die heutige Betreiberin als «horrend». Hofer scheint ein Händchen für Liegenschaften zu haben, mit denen viel Geld zu verdienen ist. Der Firma Honag AG, bei der er bis Ende letzten Jahres Verwaltungsratspräsident war, gehört auch das Restaurant Löwen in Münchenbuchsee. Dort werden Sozialhilfebezüger untergebracht, die keine bessere Wohnung finden können. Ein Zimmer kostet rund 700 Franken monatlich.
Eine versiffte Bruchbude
Fährt man zum Gasthof Löwen, sticht einem als Erstes die bröcklige Fassade ins Auge. Die nackten Ziegelsteine kommen zum Vorschein, bei einem Fenster im ersten Stock fehlt die Scheibe. Mülltonnen stehen beim Eingang. Hinter dem Schild, das «XXL Cordonbleu und Rossentrecôte» anpreist, steht eines mit der Aufschrift «Betriebsferien». Die provisorisch eingebaute Holztür führt ins Treppenhaus, wo es nach abgestandenem Rauch riecht. Auf jeder Etage eine Toilette, auch diese sanierungsbedürftig. Im dritten Stock reiht sich Zimmer an Zimmer, mitten im Korridor steht ein Kühlschrank, obendrauf eine Mikrowelle. Hier verpflegen sich jene, die hier wohnen. «Es ist eine Katastrophe», sagt einer der Sozialhilfebezüger, der nicht namentlich genannt werden möchte. «Wir haben keine Küche, keine Briefkästen, keine Waschmaschine und nur eine Dusche für alle. Und es gibt Ratten im Dachstock.» Der Mann ärgert sich darüber, dass der Sozialdienst Münchenbuchsee für die schäbigen Zimmer rund 700 Franken Monatsmiete berappen muss. Markus Caflisch, Rechtberater des Hauseigentümerverbands Bern und Umgebung, gibt zum konkreten Fall keine Mietzinsschätzung ab. «Generell ist davon auszugehen, dass an dieser Lage unmöblierte Zimmer ab 150 Franken pro Monat erhältlich sein dürften», sagt er. Selbst wenn möblierte Zimmer etwas mehr kosten dürften, handelt es sich für Natalie Imboden, Präsidentin des Mieterverbandes Bern, hier um einen «skandalösen Fall von Mietzinswucher». Es brauche dringend öffentlichen und politischen Druck, auch vonseiten der Gemeinden, gegenüber «solchen Wuchervermietern».
Den Gemeinden sind oft die Hände gebunden
Die Gemeinden haben jedoch oft keine Handhabe gegen die Vermieter. Peter Wüthrich, Leiter des Sozialdienstes Münchenbuchsee, bestätigt, dass im Löwen Sozialhilfebezüger untergebracht werden. «Wir haben keine Alternativen, die wir zur Verfügung stellen können», sagt er. «Es ist sehr schwierig, für Menschen, die Sozialhilfe beziehen, Wohnungen zu finden.» Wenn neu angemeldete Klienten keine Wohnung finden, würden sie vermittelt. Dabei legt der regionale Sozialdienst eine Mietzinsobergrenze fest. Für einen Ein-Personen-Haushalt bezahlt der Sozialdienst Münchenbuchsee eine maximale Miete von 800 Franken sowie maximal 25 Prozent Nebenkosten. Kostet eine Wohnung mehr, muss der Kunde für die Zusatzkosten selber mit seinem Grundbedarf aufkommen. Auch Dorothee Guggisberg, Geschäftsführerin der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe, verweist auf das Dilemma, in dem Gemeinden oft steckten. «Einerseits sind sie verpflichtet, den Leuten Obdach zu gewährleisten. Andererseits ist ein grosses Problem, dass die Sozialdienste keinen günstigen Wohnraum für Sozialhilfebezüger finden», sagt sie. Das Geschäft mit den Liegenschaften dürfe aber nicht auf der Schulter der Ärmsten ausgetragen werden. Stefan Hofer hat eine Erklärung parat. «Die langjährigen Mietverträge sind beim Kauf der Liegenschaft 2014 übernommen worden.» Mietverträge seien grundsätzlich bindend, weshalb man die Zinse nicht angepasst habe. Von den zwölf Zimmern seien unter seiner Führung bei der Honag AG aber «nur wenige» vom Sozialdienst Münchenbuchsee angemietet worden. Zum Vorwurf, die Mietkosten seien Wucher, sagt Hofer: «Die Zimmer wurden fünf Mal wöchentlich gereinigt.» Auf die Frage, ob er selber gerne dort wohnen würde, sagt er: «Ich lebe in einer Zweieinhalb-Zimmerwohnung und bevorzuge keine Hotelzimmer.»
Der Rückhalt der SVP bröckelt langsam
Vorerst zeigte man sich bei der SVP tolerant, was Stefan Hofers Vergangenheit als Bordellbetreiber betrifft. Sowohl Rudolf Friedli, Präsident der SVP Stadt Bern, als auch Fraktionschef Roland Jakob hielten an ihrem Kandidaten fest. Kantonalpräsident Werner Salzmann forderte jedoch die Überprüfung von Hofers Kandidatur, zumal unter ihm wohl auch Prostituierte anschafften, die sich illegal in der Schweiz aufhielten. Nun scheint Hofers Rückhalt in der Partei zu bröckeln. Friedli möchte den Vorwurf der Wuchermieten durch die Honag AG «aus der Ferne nicht beurteilen». Friedli spricht aber generell von einem «eklatanten Vertrauensbruch». «Wir sind enttäuscht worden von Stefan Hofer und sind seit letzter Woche dabei, Abklärungen zu treffen.» Hofer habe sein Vertrauen missbraucht und der Partei seine Vergangenheit verschwiegen, die im Zusammenhang mit seiner Nomination wichtig gewesen wäre. Es sei schade, dass er als «kleiner Parteipräsident auf Gemeindeebene» anfangen müsse, Straf- und Betreibungsregisterauszüge eines Kandidaten einzufordern, so, wie es bei der Bundesratsnomination im Fall Bruno Zuppiger nötig geworden sei, wie der Bund kürzlich berichtete.
Tijana Nikolic