Der Lehrerverband stellt in einer Resolution an die Erziehungsdirektoren den heutigen Fremdsprachenunterricht infrage
Zudem fordert er eine raschere Harmonisierung. Die Lehrer schicken mit der Resolution konkrete Forderungen an die Adresse der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK). Aus Sicht der Lehrer ist ein funktionierender Fremdsprachenunterricht mit den heutigen Rahmenbedingungen nicht möglich. Zur Halbzeit der Harmos-Umsetzung fordern sie eine Überprüfung der Situation und eine klare Verbesserung bis zum Schuljahr 2015/16. Nur so bestehe die «reelle Chance für einen gelingenden Fremdsprachenunterricht». Bis 2015 soll der Fremdsprachenunterricht in den Harmos-Kantonen vereinheitlicht werden. Die Lehrer zweifeln aufgrund der bisher gemachten Erfahrungen allerdings grundsätzlich am Fremdsprachenkonzept. Der Lehrer-Dachverband LCH hat an seiner Delegiertenversammlung in Baden AG nun eine vom Verband vorbereitete Resolution wie erwartet ohne Gegenstimme angenommen. Erschwerend kommt in den Augen der Lehrer hinzu, dass von einer Harmonisierung unter den Kantonen derzeit noch wenig zu spüren ist. Vielmehr gleiche die Schweiz einem Flickenteppich.
Einem Sechstklässler, der mit seiner Familie von Uri nach Zürich ziehe, fehlten fast fünf Jahre Englisch. Die zweite Landessprache und Englisch müssten in allen Deutschschweizer Kantonen zum gleichen Zeitpunkt und in der gleichen Reihenfolge unterrichtet werden, fordert der LCH. So fordern die Lehrer, dass die Fremdsprachen in der Primarschule nicht promotionswirksam benotet werden. Noten führten zu einem zunehmenden Leistungsdruck. Mit einer «Begegnung mit Sprache und Kultur», wie sie im ursprünglichen Konzept der EDK angekündigt worden war, habe diese Praxis gar nichts mehr zu tun.
Weiter kritisiert der Verband die Unterrichtsbedingungen. Nur rund ein Drittel der Lehrer sei der Meinung, dass die Bedingungen ausreichen, um die Anforderungen zu erfüllen. Dies habe eine Umfrage in den Kantonen ergeben. Der LCH fordert deshalb für grössere Klassen zusätzliche Lehrkräfte. Letztere sollten sich zudem auf Wunsch für den Fremdsprachenunterricht auf der Primarstufe weiterbilden können – kostenlos und während der Arbeitszeit.
Des Weiteren braucht es aus Sicht der Lehrer drei statt zwei Wochenlektionen pro Sprache. Ein Fremdsprachenunterricht mit zwei Lektionen pro Woche in heterogenen Klassen von über 20 Lernenden und ohne Niveaubildung sei nicht effizient und werde von der grossen Mehrheit der Mitgliedsorganisationen abgelehnt, schreibt der LCH. Auch LCH-Präsident Beat Zemp sagte gegenüber der «Tagesschau» des Schweizer Fernsehens: «Zwei Lektionen reichen einfach nicht aus». Dies führe aber zu einem Dilemma: «Zweimal drei Lektionen wären auf der Primarstufe aber definitiv zu viel und würden das Übergewicht der Sprachen verstärken.» Für die Kantone, die dem Harmos-Konkordat aus dem Jahr 2009 beigetreten sind, ist eine Vereinheitlichung des Fremdsprachenunterrichts bis 2015 verbindlich. Eine erste Fremdsprache muss spätestens in der 3. Klasse, eine zweite spätestens ab der 5. Klasse unterrichtet werden. Dies wollen die Lehrer aber ändern, sollten die in ihrer Resolution erhobenen Forderungen nicht erfüllt werden. Die zweite Sprache soll in diesem Fall zum Wahlpflichtfach werden. Sprich: Die Eltern entscheiden über eine zweite Fremdsprache.
Der Präsident der Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz, Christian Amsler, fordert allerdings Geduld von den Lehrern. Er sprach sich vor den LCH-Delegierten dagegen aus, «mitten in einem Prozess die Reisslinie zu ziehen». Die Harmonisierung sei eine anspruchsvolle Aufgabe, für die es einen langen Atem brauche.