Nach dem Nationalrat hat letzte Woche auch der Ständerat schärfere Massnahmen gegen Zwangsehen gutgeheissen
Schon heute dürfen Zivilstandesbeamte die Trauung nicht durchführen, wenn die Ehe offensichtlich nicht dem freien Willen der Verlobten entspricht. Künftig sind sie verpflichtet, Strafanzeige einzureichen, wenn sie Zwang feststellen. Nach dem Nationalrat hat gestern auch der Ständerat eine entsprechende Änderung im Zivilgesetzbuch gutgeheissen – zusammen mit weiteren Massnahmen in insgesamt sechs Gesetzen.
Nur: Wie sollen wir merken, dass eine solche vorliegt, wenn es die Verlobten uns nicht selbst sagen?» Bereits heute mache man die Verlobten im Ehevorbereitungsverfahren sowie an der Trauung mehrfach darauf aufmerksam, dass die Ehe zwingend aus freien Stücken geschlossen werden müsse. Zudem lägen auf dem Zivilstandsamt Flyer zum Thema Zwangsheirat auf. Mehr aber könne man nicht tun. Denn: «Wenn jemand sagt, er wolle heiraten, haben wir kaum eine Chance zu merken, ob es in Wirklichkeit anders ist», sagt Alexander Egli, Leiter des Zivilstandesamtes der Stadt Basel. Werde jemand zur Heirat gezwungen, lasse er sich aus nicht unberechtigter Angst auf dem Zivilstandsamt «mit grosser Wahrscheinlichkeit» nichts anmerken. Vorsicht sei vor allem bei im Ausland geschlossenen und später in der Schweiz gemeldeten Zwangsheiraten angebracht, die viel häufiger vorkämen als Zwangsheiraten in der Schweiz. Für Franziska Bürki, Leiterin des Zivilstands- und Bürgerrechtsdienstes Kanton Bern, ist es «zu früh, um ausführlich Stellung zu nehmen zu den geplanten Massnahmen gegen Zwangsheirat». Man müsse die Ausführungsbestimmungen des Eidgenössischen Amtes für Zivilstandeswesen abwarten. Doch generell lasse sich sagen, dass die Zivilstandesbeamten «wenig Zeit mit den Verlobten» verbrächten. Im Ehevorbereitungsverfahren seien es rund 30 Minuten, an der Trauung nochmals etwa gleich viel Zeit. Das zeige, dass die Zivilstandesbeamten heute kaum Gelegenheit erhielten, die Verlobten kennen zu lernen. Egli kenne «keinerlei Indizien», auf die man als Zivilstandesbeamte bei Zwangsheiraten achten könne – ganz im Gegensatz zu Scheinehen. Bei diesen könnten etwa grosse Altersunterschiede der Verlobten oder Verständigungsprobleme aufgrund der Sprache Verdachtsmomente darstellen. Auch die Tatsache, dass sich die Verlobten noch nicht lange kennen, sei möglicherweise ein Zeichen für eine Scheinehe. Er hofft auf möglichst konkrete Weisungen des Bundes, beispielsweise in Form von Merkblättern, wenn die Vorlage dereinst umgesetzt wird. Vorerst geht diese zur Differenzbereinigung zurück in den Nationalrat. In einem Punkt will der Ständerat nämlich weiter gehen als die grosse Kammer. So sollen unter Zwang geschlossene Ehen in jedem Fall von Amtes wegen für ungültig erklärt werden. Also auch dann, wenn die Betroffenen sie freiwillig weiterführen wollen. Damit soll vermieden werden, dass etwa die Ehefrau unter starkem Druck ihres Umfeldes vor dem Gericht den Willen zur Weiterführung der Ehe vorspielt. Auf weitere Änderungen gegenüber den Beschlüssen des Nationalrats hat der Ständerat gestern verzichtet. Verschärft wird insbesondere das Strafgesetzbuch: Wer jemanden zu einer Ehe zwingt, soll dafür mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe belegt werden. Zudem werden künftig sämtliche Voraussetzungen für eine Eheschliessung in der Schweiz nur noch nach Schweizer Recht beurteilt. Und im Ausland geschlossene Ehen mit Minderjährigen sind nicht mehr gültig.
Interview mit einer potentiellen Verdächtigen:
Sharia, 25, Inderin aus Zürich:
„Ich habe gerade am 31.Mai 2012 frisch geheiratet. Wir hatten eine grosse Hochzeit hier in Zürich. Es war ein wunderschönes Ereignis. Aber viele denken dabei an Zwangsheirat. Weil ich und mein Mann uns erst seit einem Jahr kennen und uns in dieser Zeit auch nur zwei Mal gesehen haben. Aber wir lieben uns wirklich und solch ein Verhalten ist bei uns normal. Ich habe ihn in den Ferien gesehen und später meine Familie über ihn ausgefragt. Man muss immer aufpassen, dass man nicht zufällig miteinander verwandt ist und das nicht weiss. Dies war zum Glück nicht der Fall. Danach habe ich über das Internet mit ihm Kontakt aufgenommen und wir haben uns gegenseitig gefallen. Danach haben wir regelmässig gechattet, geskypet und telefoniert. Wir haben uns verliebt und haben beschlossen zu heiraten. Das ist bei uns nicht unüblich. Wegen der Distanz gehe ich nicht sehr oft nach Indien. Also mussten wir so den Kontakt halten. Danach haben wir uns in Indien wieder getroffen und haben mit seinen und meinen Eltern die Hochzeit beschlossen und geplant. Bei uns hat man keinen Freund, sondern verlobt sich gleich und heiratet kurz danach. So ist eben die Tradition. Aber niemand hat mich dazu gezwungen, ich wollte das alles so und bin glücklich. Nun, wohnen wir endlich zusammen und planen unsere gemeinsame Zukunft. Aber ich finde, man sollte auf jeden Fall gegen die Zwangsheirat vorgehen.“