Winter und Schnee sind sein Element, Hunde, vor allem solche aus dem hohen Norden, seit Jahren seine Leidenschaft. Bis vor kurzem war der Berner Oberländer Thomas Kernen Wärter in der Polarhunde-Kolonie am Eigergletscher. Diese Ära ist jetzt zu Ende.
Sie heissen Angilaq und Eros, Rascal und Witch, Pavel und Rasputin, Muonio, Marvik, Laskhy und Kiowa. Und da ist auch noch Trine mit ihren zwei Jungen Aningha und Arktos. Die 5-jährige Trine hat Kernen eigenhändig in Grönland geholt. “Sie ist freundlich und aufgestellt, mag Menschen um sich, ist aber auch gern allein”, sagt er über seine Lieblingshündin. Bis vor kurzem war der gelernte Koch als Wärter in der Polarhunde-Kolonie beim Eigergletscher auf 2320 m Höhe angestellt, wo die Jungfraubahnen fast ein Jahrhundert lang Grönlandhunde hielten. “Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Jetzt sind die Hunde halt wieder mein Hobby”, sagt Kernen, der 2006 mit seinem Grönland-Gespann Weltmeister im Schlittenhundrennen wurde.
Verlustgeschäft
Auf Ende Jahr wurde die Anlage am Eigergletscher geschlossen, das Halten der Touristenattraktion rentierte nicht mehr, denn die Ausgaben überstiegen bei weitem die Einnahmen: Mehr als 300’000 Franken Verluste jährlich und anstehende Renovationskosten führten zu diesem Entscheid. Leicht ist dem Oberländer der Abschied vom Jungfraujoch nicht gefallen, auch wenn die Arbeit hart war. “Um acht Uhr begann man mit der Fütterung. Je nach Schneefall mussten wir zuerst zwei bis drei Stunden Schnee räumen, dann die Hunde striegeln, versorgen und verarzten, die Innenräume reinigen und die Schlitten flicken. Im Winter bestand 90 Prozent der Arbeit aus Schnee schaufeln und putzen.” Interessant war es für Kernen jeweils, wenn Stargäste oder hohe Politiker kamen. So erinnert er sich etwa an den Besuch des amerikanisch-schweizerischen American-Footballstars Ben Roethlisberger oder an Bruce Springsteen und Prinzen aus den arabischen Emiraten. Oder an Michelle Calmy-Rey in Begleitung des chinesischen Aussenministers. “Sie wurden mit dem Superpuma hochgeflogen. Wir standen auf dem Aletschgletscher bereit, damit man ein Foto zusammen mit den Hunden knipsen konnte.”
Hunde spürten den Stress
“Mit den Prominenten sprach man nie über Politik oder ihren Job, eher über die Hunde und das Wetter. Ich habe immer versucht, so zu sein, wie ich immer bin, und nicht speziell auf sie einzugehen. Es sind ja auch nur Menschen.” Die Hunde hätten sich jedoch anders verhalten. “Obwohl sie die Tour auswendig kannten, liefen sie bei speziellen Gästen schlechter und brachen die Runde früher ab. Vielleicht spürten sie den Druck ?” Für solche Anlässe habe man eine gewisse Routine entwickelt. “Wir suchten Hunde aus, die nicht hochstehen, sondern liegen bleiben. Nicht die jüngsten, es sei denn, sie waren erst ein paar Monate alt. Dann gab’s den Jö-Effekt”, erklärt Thomas Kernen. In den letzten Jahren ging die Nachfrage von Touristen nach Schlittenfahrten mit den Hunden sukzessive zurück. Zu gross wurde die Konkurrenz von Alternativangeboten wie dem Eispalast, dem Kinderparadies oder von Snowboardparks auf der Kleinen Scheidegg, wohin die Wärter mit Hunden und Schlitten jeweils vom Camp im Zug hinunterfuhren.
Klimawandel beeinträchtig Business
“Es war auch zunehmend ein Platzproblem mit drohender Unfallgefahr, denn wir hatten kein eigenes Gelände”, so Kernen. Dazu kam die Klimaveränderung. Die sei im Sommer zunehmend spürbar geworden. “Als ich vor acht Jahren anfing, war im Sommer Winter. Wir hatten am Jungfraujoch lediglich 20 Tage, an denen es über 0 Grad war. Jetzt, als ich aufhörte, vielleicht noch 20 Tage im Sommer, die um den Gefrierpunkt waren.” Diese stetig wärmer gewordenen Sommer hätten zu schlechten Schneeverhältnissen geführt. “Die Hunde blieben im Sulzschnee stecken und verdrehten sich die Pfoten. Sie bei dieser Wärme durch den Tiefschnee zu jagen, war hart. So konnten wir immer weniger fahren.” Chinesische, japanische und indische Touristen hätten das nicht verstanden. “Für sie war es tiefster Winter. Bei 10 Grad froren sie und kamen im Pelzmantel, während wir im T-shirt waren.”
Abschied und Neuanfang
Jetzt ist die fast 100-jährige Hundekolonie am Eigergletscher Geschichte, das 16-köpfige Hunderudel wurde zwischen den Wärtern aufgeteilt. Kernen übernahm deren sieben und zog im Herbst mit ihnen in sein Haus in Kandergrund im Berner Oberland, gelegen auf 850 m über Meer. Insgesamt hält der 40-Jährige zusammen mit seiner Freundin jetzt 13 Tiere: Sechs sibirische Huskys und sieben Grönlandhunde. Kernen ist überzeugt, dass sich seine Tiere auch hier wohl fühlen. “Im nächsten Sommer werden sich die Hunde an das neue Klima gewöhnt haben. Sie werden mehr Wolle abstossen und weniger Unterwolle bilden.” Er wird sie weiter umsorgen, mit ihnen trainieren und sich freuen, wenn sie Rennen gewinnen. Früher hat sich Kernen jeweils dagegen gewehrt, wenn seine Hunde als Kinderersatz bezeichnet wurden. Heute müsse er sagen, dass man das so sehen könne. “Ich investiere viel Zeit und Geld, ich leide, wenn es ihnen schlecht geht, wenn sie krank sind. ” Man dürfe die Hunde aber nicht mit dem Menschen vergleichen, das sei wichtig. “Ein Tier ist und bleibt ein Tier.” Es werde aber sehr wohl eine Beziehung aufgebaut – vom Welpen zur Pubertät, dann laufen sie am Schlitten, gewinnen Rennen, im Alter kommt die AHV, wo sie auch noch bei uns bleiben.”