Thomas Hürlimanns Erfolgsroman “Der grosse Kater” hat durch die Verfilmung von Wolfgang Panzer ein neues Gesicht bekommen. Der Film über den Fall eines Schweizer Bundespräsidenten auf dem Zenit seiner Macht wurde vorwiegend im und ums Bundeshaus gedreht.
Als erstes ist ein Ticken und Summen zu hören, metallene Zahnräder drehen sich und greifen ineinander. Alte Männerhände nehmen filigrane Uhrwerke auseinander. Die Zeit des grossen Katers ist abgelaufen. Die Verfilmung von Thomas Hürlimanns Roman beginnt mit einem Zoom auf die Vergänglichkeit und einer Vorausblende auf die Zeit nach dem Rücktritt des Bundespräsidenten von allen politischen Ämtern. ”Der grosse Kater”, 1998 erschienen, ist Hürlimanns erster Roman und enthält sowohl Familiengeschichte wie politische Vergangenheit. Er bezieht sich auf das Jahr 1979, als Bundesrat Hans Hürlimann, der Vater des Autors, in seiner Funktion als Bundespräsident das spanische Königspaar in Bern empfing. Der Roman wurde vorwiegend als Schlüsselroman gelesen, als Abrechnung des Sohnes mit dem Vater, der seiner Karriere die Familie opfert, indem er das Sterben seines jüngsten Sohnes der Öffentlichkeit preisgibt, um so seine Popularität zu steigern. In dieser Lesart wurde aber übersehen, wie vielschichtig und innerlich zerrissen dieser Bundespräsident gezeichnet ist. Viel eher entlarvt “Der grosse Kater” das politische Spiel als Farce und zeigt, dass Politiker weniger selbst gestalten als vielmehr nur tun, was mehrheitsfähig ist. Indem sie die Medien zu instrumentalisieren versuchen, laufen sie selbst Gefahr, deren Opfer zu werden.
Verfremdung durch Bruno Ganz
Bei der Lektüre des stark autobiografisch gefärbten Romans ist es fast unmöglich, nicht an Bundesrat Hans Hürlimann zu denken, auch wenn der Autor verschiedentlich betont hat, dass im Roman mehr von ihm selber als von seinem Vater stecke. Erst im Film erfährt die Figur des grossen Katers durch den Schauspieler Bruno Ganz eine so starke Verfremdung, dass man weder das reale Vorbild Hans Hürlimann noch sonst einen Bundesrat vor Augen hat, sondern eine erfundene Figur in einem Schweizer Film, und zwar eine von Ganz erfundene. Er versucht gar nicht erst, wie Hürlimann auszusehen. In seinem Gesicht spiegeln sich Traurigkeit, Schalk, Liebe und Müdigkeit. Nur den Machtpolitiker, der er auch sein sollte, nimmt man ihm nicht ab. Ganz, der früher auf der Bühne so dramatische Figuren wie Hamlet, Faust und Peer Gynt, im Film Hitler dargestellt hat, spielt diesen von inneren Konflikten zerrissenen Politiker leise, verhalten und selbstzweiflerisch.
Ein Kater mit sieben Leben
In Rückblenden erzählt der Film, wie Kater als Bub zu seinem Namen gekommen ist: Nachdem sein Vater einen vor dem Haus herumstreunenden Kater mit Wucht an die Wand geschlagen hatte, hob der Bub den geschundenen Tierkörper auf und trug ihn so lange mit sich herum, bis dieser wieder zum Leben erwachte. Ausdauer, Geduld und die Fähigkeit, sich nach einem Schlag wieder aufzurappeln – das hat dieser Bundespräsident, und das braucht er auch. Als Politiker ist er von Beratern, Sekretärinnen und Assistenten umgeben und von seinem langjährigen Freund Pfiff, Fraktionschef von Katers Partei, der die Fäden zieht und die Medien für seine Interessen instrumentalisiert. Seit Kater Pfiff die Frau ausgespannt hat, ist ihre Freundschaft getrübt. Marie ist nun mit dem grossen Kater verheiratet und sagt über ihren einstigen Verlobten: “Was ihm fehlt, ist Grösse.” Die Intrige, die Pfiff nun spinnt, soll nicht nur Katers Karriere, sondern auch seine Ehe zerstören. Fast gelingt der Plan. Doch ein Kater hat sieben Leben, wie ein Berater des Bundespräsidenten die Intriganten warnt.
Von der Wirklichkeit eingeholt
Als der Roman 1998 erschien, mutete die dort dargestellte gegenseitige Abhängigkeit von Politik und Medien noch überzeichnet an. Inzwischen hat die Wirklichkeit die Fiktion eingeholt. Der Film spielt nicht nur mit historischen und biografischen Elementen, sondern zeigt die Problematik einer Politik, die sich vor allem anderen an Popularität und Einschaltquoten orientiert. “Sie tun, was geschieht”, heisst es über die Arbeit der Politiker im “Grossen Kater”.