Der Vater des extraterrestrischen Monsters Alien, H. R. Giger, feiert am 5. Februar seinen 70. Geburtstag. Beschränkt man ihn auf seine Rolle als Leitfigur im Science Fiction- und Horror-Genre, wird man seiner Bedeutung als Künstler nicht gerecht.
Als Vertreter des Phantastischen Realismus erlangte H. R. Giger Weltruhm. Für die Gestaltung des “Alien” für Ridley Scotts gleichnamigen Films erhielt er 1980 den Oskar. In Filmen wie “Poltergeist 2” (1986), “Alien 3” (1992) und “Species” (1995) war Giger in Hollywood über Jahre präsent. Zu seinem Ruhm trug auch sein Design für das Computerspiel “Dark Seed” von 1995 bei. Die Filmkunst ist nur eine der Facetten von Gigers schöpferischem Talent. Bekannt ist er auch für seine phantastischen Skulpturen, Gemälde und Möbel. Gigers Kunst wird Menschen mit schwachen Nerven nicht empfohlen. So schreibt der Kunstkritiker Fritz Billeter im Katalog “1968. Zürich steht Kopf”, Gigers gesamtes bildnerisches Werk sei “erotisch aufgeladen mit einer Tendenz zum Furchtbaren und Sadistischen”. Mitunter nehme seine Kunst “Formen eines orgiastischen Kults” an.
Eindrücklicher Museumsbesuch
Tatsächlich ist der Besuch im H. R. Giger-Museum in Greyerz im Kanton Freiburg nichts für Zartbesaitete. Befremdend wirkt auf viele Besucher etwa das Modell eines aus länglichen Totenschädeln gebildeten Horrorzuges, dessen Lokomotive einer der berühmten US-Santa-Fe-Express Dieselloks verblüffend ähnlich sieht. Aber auch seine legendären Harkonnen-Möbel-Skulpturen ziehen den Blick magisch an: Riesige, hochlehnige, knochengerippte Stühle, teilweise mit Totenschädeln gekrönt. Dazwischen ein gigantischer Tisch, dessen vier Beine aus Alienschädeln bestehen. Ein Blick ins Kabinett – ausdrücklich nur für Erwachsene – zeugt von Gigers äusserst gespaltener Beziehung zur Obrigkeit, insbesondere zur katholischen Kirche. Hier tummeln sich Zeichnungen und Grafiken, in denen Lust und Schmerz zusammenfinden. Von der Gesellschaft geächtete Sexualpraktiken werden präsentiert, garniert mit Texten, welche Gigers Kampf gegen offizielle Institutionen illustrieren.
1980: H.R.Gyger mit seinem Oskar für die visuellen Effekte in Ridley Scotts Film Alien. (RDB)
Biomechanoide
Ein grosser Teil von Gigers Werk wird von den von ihm so genannten Biomechanoiden geprägt. In diesen Gestalten verschmilzt er Technik und Mechanik mit dem Humanoiden. Resultat: Mensch-Maschine-Zwitterwesen, die durch ihre sexuell stark ausgeprägten Körperteile äusserst irritierend wirkend können, bewegen sich in surrealistischen Traumlandschaften. Diese Biomechanoiden treten in vielen seiner Gemälde und Grafiken auf, aber auch in Skulpturen und Möbeln.
Gesellschaftskritische Bissigkeit und Blasphemie
Tobia Bezzola, Kurator des Kunstmuseums Zürich, achtet H. R. Giger sehr. 1995 hat das Kunstmuseum mit Harald Szemann und H. R. Giger die Ausstellung “100 Jahre Kino” gemacht und 2005 die Show “In den Alpen”, in der Giger mit dem “St. Gotthard-Zyklus” brillierte. Bezzola schätzt Gigers gesellschaftskritische Bissigkeit, in der er teilweise auch blasphemische Züge ausmacht. ”Für mich ist Giger einer der wichtigsten Schweizer Künstler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts”, sagt Bezzola. Besonders hebt er Gigers visuelle Film- und Formensprachen hervor, welche die visuelle Wahrnehmung der Menschen geprägt hätten. Bezzola stellt Giger auf eine Stufe mit Le Corbusier und Max Bill.
Erfolg als Fluch?
Trotzdem geniesst H. R. Giger in einigen Kunstkreisen nicht den besten Ruf. Sein Engagement für die Populärkultur, so für den fantastischen Film, für Plattencovers und Vieles mehr, verhalf ihm zu einem Kultstatus, der weltweit gilt. Und vielleicht ist es gerade dieser Erfolg, der ihn in den Augen der etablierten Kunstgemeinde abwertet. ”In Amerika wäre das anders”, ist Tobia Bezzola überzeugt. Dort widmet das Museum of Modern Art in New York Tim Burton eine grosse Ausstellung. Dessen Filmcharaktere sind meist der Comicwelt entlehnt (Batman) aber auch dem Horrorgenre.
“Offizielle Schweiz hat Giger bis jetzt verpasst”
Hans Rudolf Reust, Präsident der Eidgenössischen Kunstkommission, hat H. R. Giger relativ spät persönlich kennengelernt. Für ihn war Giger eine Pop-Ikone, die in den 1970er- und 80er-Jahren mit ihren Filmen, den Interieurs, Plattencovern grossen Eindruck auf junge Leute machte. Obwohl Giger in den USA 1980 der Oscar für “Alien” verliehen wurde, blieb die Anerkennung der offiziellen Schweiz aus, genau wie in den Jahren 1967 bis 1970, in denen er an eidgenössischen Kunststipendien teilgenommen hatte, aber nie ausgezeichnet worden war. Reust sieht eine mögliche Erklärung dafür auch in Gigers Stil: “Phantastik und Surrealismus hatten es in der Schweiz nie einfach.” Und das scheint bis heute so zu sein, denn Giger ist mit keinem einzigen Werk in der Eidgenössischen Kunstsammlung vertreten. ”Die offizielle Schweiz hat H. R. Giger bis jetzt verpasst, sie hat ihn kaum zur Kenntnis genommen”, gesteht Reust ein. Giger verdiene Respekt als eine singuläre Persönlichkeit, die sich ihre eigene Welt erschaffen habe.