Die Swiss Football league lanciert drei neue initiativen, roger müller von der SFl nimmt dazu Stellung
Es gibt vermehrt Hooliganismus in der Schweiz. Wie erklären Sie sich das?
Alle uns verfügbaren Daten sagen etwas anderes. In den Stadien verzeichneten wir 2010/11 weniger Gewalt und weniger Vandalismus, weniger Eingangsstürmungen als vorher. Leicht zugenommen hat einzig das Zünden von Pyro-Artikeln. Die Zahlen des Fedpol zeigen ebenfalls eine Entspannung. So viel wir wissen, sind auch Schäden bei den SBB-Extrazügen tiefer, obwohl mehr Züge eingesetzt worden sind. Gleichzeitig hatten wir erneut Zuschauerrekord, auch ein Zeichen, dass die Situation so dramatisch nicht sein kann.
Reto Nause, Gemeinderat und Sicherheitsdirektor der Stadt Bern, sagte laut der Zeitung “Sonntag”, die Swiss Football League könne diese Probleme effizient und rasch lösen. Ist es so einfach?
Diverse Massnahmen, wie beispielweise die ID-Pflicht für den Gästesektor, hat die SFL eingeführt bevor findige Politiker im Wahlkampf darauf gekommen sind. In der Praxis war das Resultat ernüchternd. Weshalb? Die im Rahmen von Fussballspielen festgenommenen Straftäter sind in der Regel innert kürzester Zeit wieder auf freiem Fuss, die durch die Justizbehörden verhängten Strafen bescheiden. Die Polizei greift wohl auch deshalb ausserhalb der Stadien bei Pyro-Aktionen oder Fan-Umzügen mit Vermummten nicht ein. Sie will eine Eskalation verhindern. In die Stadien hinein, will die Polizei erst recht nicht. Zu behaupten, die SFL und die Klubs könnten in diesem Umfeld zusammen mit privaten Sicherheitsfirmen von heute auf morgen für Ruhe sorgen, ist völlig realitätsfremd.
Letzte Woche wurden neue Initiativen von der SFL und ihren Klubs lanciert. Worum geht es konkret?
Grundsätzlich geht es bei allen drei Initiativen darum, Straftäter und Vandalen rascher zu identifizieren und griffig zu bestrafen. Wir unterstützen deshalb erstens die von der KKJPD vorgesehenen gesamtschweizerischen Rayonverbote, sehen aber vor allem in der Meldepflicht ein sehr gutes Sanktionsinstrument. Mit der Meldepflicht werden gewalttätige Personen kontrollierbar von den Stadien fern gehalten, die Gefahr von Solidarisierungen von Mittläufern vor Ort wird massiv entschärft. Zweitens müssen und werden wir die Polizei und die Justiz bei den Strafermittlungen noch besser unterstützen. Der Ablauf von der Sicherung von Beweismaterial, über die Aufbewahrung von Daten bis zur Auswertung soll einheitlicher und effektiver werden. Drittens schliesslich wollen wir die Infrastruktur für Gästefans verbessern.
Inwiefern sollen Infrastruktur und Service für die Gästefans verbessert werden?
Es braucht in einigen Stadien mehr Eingänge sprich Drehkreuze, damit die oft zusammen anreisenden Gästefans rascher Einlass finden und dennoch effektiv kontrolliert werden können. Daneben müssen wir die Anforderungen bezüglich WC-Anlagen und Catering-Ständen überprüfen.
Wie verhalten sich die Klubs und wie wird Ihre Zusammenarbeit weiterhin aussehen?
Die drei Initiativen sind mit den Klubs abgesprochen. Zwei der drei Massnahmen stehen ja auf dem Forderungskatalog der KKJPD für eine Anpassung des Konkordates der Kantone. Die SFL und die Klubs werden entsprechend die KKJPD im nötigen politischen Prozess bei diesen Themen unterstützen. Weiter wird der Dialog zwischen Klubs und lokalen Behörden nochmals intensiviert. Schliesslich startet die SFL ihrerseits mit einem neuen Ausbildungslehrgang bei Swiss Olympic einen weiteren Schritt zur Verbesserung der Arbeit, der Sicherheits- und Fanverantwortlichen der Klubs.
In Ihrer Medienmitteilung schreiben Sie, dass Pauschalmassnahmen wie die flächendeckende ID-Kontrolle an den Stadioneingängen nicht praktikabel seien, wieso nicht?
Im Ausland funktionieren solche Massnahmen nur dort, wo striktere Gesetze und griffigere Sanktionen seitens der Justiz bestehen und die Polizei bereit ist, die Klubs bei der Umsetzung bspw. der ID-Kontrollen um das und im Stadion zu unterstützen. Solange diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, führen Kollektiv-Massnahmen zu einer Solidarisierung zwischen der friedlichen Masse mit den einzelnen Gewalttätern, die Lage kann eskalieren. Das zumindest haben wir bei der Einführung der ID-Pflicht für den Gästesektor zum Start der Saison 2006/07 erlebt.
Steht es zur Rede, die Hooligans mit Spielabsagen oder Matchs ohne Zuschauern zu bestrafen?
Diese Strafen treffen nicht die gewalttätigen Personen selber sondern die Klubs und die friedliche Mehrheit der Zuschauer. Um solche Massnahmen umsetzen zu können, bräuchte es für eine gewisse Zeit aller Voraussicht nach ein grösseres Polizeiaufgebot als heute. Ob die Bereitschaft dazu seitens der politischen Behörden besteht, ist im Moment zweifelhaft. Insofern ist es vielleicht auch kein Zufall, dass in mehreren Kantonen bereits eine Bewilligungspflicht für Fussballspiele gilt, aber noch nie eine Partie präventiv abgesagt wurde.
Manuela Salamone