Am 9. Februar 2014 stimmen die Schweizer über die Volksinitiative „Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache – Entlastung der Krankenversicherung durch Streichung der Kosten des Schwangerschaftsabbruchs aus der obligatorischen Grundversicherung“ ab. Das Initiativkomitee, welches hauptsächlich aus SVP-Vertretern, aber auch einzelnen Angehörigen der CVP, EVP, EDU und der FDP, besteht, will, dass die Kosten der Schwangerschaftsabbrüche nicht mehr von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung übernommen werden.
Im Namen des Gesamtbundesrats empfiehlt Alain Berset die Ablehnung der Initiative ohne Gegenvorschlag. Auch die kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren sowie die Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin stellen sich gegen die Initiative. Laut Bundesrat habe sich das heutige System bewährt, die Rate der Schwangerschaftsabbrüche verbleibe auf tiefem Niveau.
Die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs und die Kostenübernahme durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung wurden 2002 von 72,2% der Stimmberechtigten angenommen. Seit Inkrafttreten der neuen Gesetzgebung hält sich die Rate der Schwangerschaftsabbrüche auf sehr tiefem Niveau und liegt bei etwa 7 Abbrüchen pro 1000 Frauen im Alter von 15 bis 44 Jahren. 2012 betrug die Rate 6,9. Bei den Jugendlichen zwischen 15 und 19 Jahren ging die Rate deutlich zurück (von 6 Promille 2005 auf 4,5 2012). Damit ist die Rate der Schwangerschafts-abbrüche in der Schweiz, insbesondere bei jungen Frauen unter 20 Jahren, eine der tiefsten in Europa.
Laut Bundesrat wäre es verhängnisvoll, wenn Frauen lediglich aus finanziellen Gründen dazu verleitet würden, qualitativ mindere Eingriffe in Kauf zu nehmen. Denn der Schwangerschaftsabbruch ist ein medizinischer Eingriff, der schwerwiegend sein kann, was die Kostenübernahme durch die obligatorische Krankenversicherung rechtfertigt, womit insbesondere auch die Qualität des Eingriffs gewährleistet wird. Ausserdem sieht das Strafgesetzbuch eine persönliche Betreuung vor, die der Frau bei der Entscheidfindung hilft.
Eine Annahme der Initiative würde ausserdem zu grosser rechtlicher Unsicherheit führen. Die Initiative nennt nämlich Ausnahmen, die sich nur mit dem Gesundheitszustand der Mutter rechtfertigen lassen, definiere diese aber nicht näher. Die entsprechende Änderung könnte im Krankenversicherungsgesetz (KVG) nur sehr allgemein formuliert werden, was den Versicherern viel Interpretationsspielraum liesse.
Die von der Initiative angestrebten Einsparungen sind geringfügig. Die Kosten der Schwangerschaftsabbrüche, die auf etwa 8 Millionen Franken pro Jahr geschätzt werden, machen 0,03% der 26 Milliarden Franken aus, die zulasten der obligatorischen Grundversicherung gehen. Zudem wird ein Teil dieser 8 Millionen Franken von den betroffenen Frauen direkt finanziert, da sie sich über die Franchise und den Selbstbehalt an den Kosten beteiligen.
Die kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren sowie die Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin stellen sich ebenfalls gegen die Initiative. Der Bundesrat ist aus diesen Gründen der Ansicht, dass die Einsparungen, die mit der Streichung der Schwangerschaftsabbrüche aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erzielt würden, die sozialen, gesundheitlichen und rechtlichen Konsequenzen nicht rechtfertigen könnten. Er empfiehlt, wie auch das Parlament, die Ablehnung der Initiative. Die kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren sowie die Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin stellen sich ebenfalls gegen die Initiative.